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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Schutzbefohlenen sicher an ihr Ziel zu bringen.
    Tice musterte die wagemutige Frau von oben bis unten: Man konnte Emmeline Fitzsimmons nicht gerade schön nennen, und er selber schwärmte nicht unbedingt für rote Haare und Sommersprossen, dennoch fand er sie ganz hübsch mit ihrer kräftigen Figur. Aber eine Frau wie sie würde nur Unruhe unter den Männern der Kolonne stiften. »Tut mir Leid, Miss«, sagte er noch einmal, »aber das sind nun mal die Regeln. Wir nehmen keine allein reisenden Frauen mit.«

    Emmelines Verzweiflung wuchs. Dies war bereits der siebte Kolonnenführer, der sie abwies, und ihre Chancen schwanden mit jedem Tag. Die ersten Planwagen waren bereits abgefahren; in ein paar Wochen würde kein Treck mehr aufbrechen, weil die ersten Schneefälle in der Sierra drohten. »Ich kann aber nützlich sein. Ich bin Hebamme.« Sie wies auf die Ansammlung von Frauen und Kindern. »Dem Aussehen einiger dieser Frauen nach zu urteilen werden sie meine Hilfe brauchen.«
    Tice runzelte missbilligend die Stirn. Keine wirkliche Dame würde ein so delikates Thema wie »eine Frau guter Hoffnung«
    ansprechen. Er bezweifelte, dass sie Hebamme war. Zu jung, zu fein.
    Dazu noch ledig. Diese Sorte machte am meisten Ärger. Die Reise nach Oregon betrug 2000 Meilen und würde mit Gottes Hilfe vier Monate dauern. Zu viele Meilen und zu viele Nächte, um so eine Frau dabei zu haben. Er kehrte ihr seinen breiten Rücken zu und wandte sich unmissverständlich zum Gehen.
    »Wenn ich nun jemanden finde«, versuchte es die junge Frau noch einmal. »Wenn ich eine Familie finde, die mich mitnimmt, darf ich dann in der Kolonne mitfahren?«
    Tice kratzte sich den Bart und spukte Tabaksaft auf den schlammigen Boden. »Na schön, aber ich muss die Familie erst begutachten.« Independence war eine geschäftige Grenzstadt, wo sich Menschen jeder Couleur drängten: kanadische Trapper in hochwertigen Pelzen; mexikanische Maultiertreiber in blauen Jacken und weißen Pantalons; schäbig gekleidete Kanza-Indianer auf Ponys; Yankee-Glücksritter, die alles unter der Sonne Erdenkliche verkauften; und dann die Tausende von Auswanderern mit ihren Planwagen und ihren Hoffnungen. Die Frühlingsluft war erfüllt von den Schlägen der Schmiedehämmer, den Rufen der Gaukler auf den schlammigen Wegen und den Klängen der Honky-Tonk-Pianos in den Saloons. Menschen drängten sich in voll gestopften Läden, während Indianer am Wegrand hockten und ihre Handarbeiten feilboten. Emmeline war vor einem der Läden stehen geblieben, um zu überlegen, wohin sie als Nächstes gehen sollte, als sie einen Mann zu einem anderen sagen hörte: »Yessir, habe ich von meinem Bruder. Der sagt, in Oregon rennen die Schweine frei herum, ohne Besitzer, fett und rund und schon gebraten, mit Messer und Gabel im Rücken, brauchst dir nur noch ein Stück rausschneiden, wenn du Hunger hast.«
    In diesem Moment erblickte sie den jungen Doktor, der auf der anderen Straßenseite ein Apothekergeschäft betrat. Aus einem plötzlichen Impuls heraus eilte sie über die Straße und ging ebenfalls in die Apotheke. Ihre Augen mussten sich erst an das schummrige Licht in dem Laden gewöhnen. Auf den Regalen hinter dem Verkaufstresen türmten sich Tonika und Pülverchen, die unter Garantie alles, von der Gicht bis zum Krebs, zu heilen versprachen.
    Kurz entschlossen griff Emmeline sich eine Flasche Beruhigungssirup für Babys. Das Etikett besagte, dass der Saft Morphium und Alkohol enthielt, die empfohlene Dosierung lautete,
    »bis das Baby ruhig ist«.
    Dann entdeckte sie den jungen Doktor, der gerade mit dem Apotheker sprach.
    Der schwarzen Tasche nach zu urteilen, musste er Arzt sein – die gleiche Tasche pflegten ihr Vater und ihre Onkel gewöhnlich auf ihre Hausbesuche mitzunehmen –, es war die klassische Arzttasche.
    Der junge Mann selbst war dünn und blass, sein Anzug saß mehr schlecht als recht. Und er schien ziemlich nervös zu sein. Noch während Emmeline sich durch die Menge zu ihm an den Verkaufstresen drängte, öffnete der junge Mann seine schwarze Tasche und zog eine Flasche hervor, die der Apotheker füllen sollte.
    Emmeline sah das Verbandsmaterial, die Scheren und Instrumente.
    »Entschuldigen Sie, Doktor, ich frage mich, ob Sie mir helfen könnten.«
    Erschrocken fuhr er herum. »Meinen Sie mich?«, fragte er, wobei aus seinem gestärkten weißen Kragen eine feine Röte aufstieg.
    Emmeline war wohlerzogen genug, um zu wissen, dass man sich einem Fremden niemals

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