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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Öllampen, die im Sommer bereits aufgestellt worden waren.
    Nachdem sie sich von der Unversehrtheit der Weinschläuche überzeugt hatte und dass kein Sakrileg in den Monaten der Gärung begangen worden war - jegliches Eindringen in die heilige Höhle bedeutete den sicheren Tod –, nickte sie Yubal zu. Er war der Abba des Hauses, und er war ebenfalls der Abba der Weinberge. Ihm oblag es, den ersten Schluck zu kosten.
    Zu Avrams Überraschung zupfte Yubal ihn am Arm und bedeutete ihm mitzukommen. Avram hatte noch nie einen Fuß über die Schwelle der heiligen Höhle gesetzt. Er folgte Yubal ehrfurchtsvoll in das Dunkel und spürte sogleich die göttliche Gegenwart. Er dachte an Marit, die bei den anderen stand und ihm voller Stolz nachschaute.
    Yubal machte vor den Weinschläuchen Halt, die auf in den Kalkfelsen gehauenen Bänken ruhten. Voller Stolz blickte er auf den hoch gewachsenen, schmucken Jungen neben sich, dem bereits der erste Bartflaum spross. Yubal konnte sich seine Empfindungen für den Jungen nicht erklären. Es geschah, als Avrams Mutter mit ihm schwanger war. Wenn sie zusammen auf ihrer Schlafmatte lagen, staunte Yubal immer wieder aufs Neue über das Wunder, das sich in dem geschwollenen Leib vollzog. Dann legte er seine Hand auf diesen wunderbaren Hügel, und als er spürte, wie das Kind sich bewegte, überkam ihn ein machtvolles Gefühl der Anteilnahme.
    »Bevor wir beginnen, Avram«, hob Yubal mit feierlicher Stimme an,
    »muss ich dir etwas sagen.« Er lächelte. »Etwas Erfreuliches.« Als er in die erwartungsvollen Augen des Jungen blickte, wurde er ernst.
    Mit Avram zu reden war ihm nie schwer gefallen, sie waren einander immer nahe gewesen. Nur als Avram das Alter erreichte, da der Vater ihm die Gesetze und Regeln im Umgang mit Frauen erklären musste, die Mondhütte, in die sich die Frauen einmal im Monat zurückzogen, und den Monatsfluss, der neues Leben hervorbrachte, waren ihm aus Scheu vor dem Mysterium der Frauen die Worte nur schwer über die Lippen gekommen. Bei all seinem Reichtum war Yubal ein einfacher Mann. Er verstand viel von seinen Weinbergen und von seinem Wein. Nur die Frauen verwirrten ihn. Dieses Geheimnis, das sie umgab… diese verborgene Stelle in ihnen, die dem Mann Lust schenkte und neues Leben hervorbrachte und wo die Göttin wohnte. Die Angst vor dem Monatsfluss der Frauen saß tief in Yubal, wie bei vielen Männern. Wie es hieß, brachte allein die Berührung mit dem Blut einem Mann den Tod, weil dem Monatsblut die Kraft der Göttin innewohnte, die Kraft über Leben und Tod.
    »Unser Haus wird ein neues Mitglied aufnehmen«, sagte Yubal im flackernden Licht der Öllampen.
    Avram sah ihn überrascht an. Seine Liebe zu Marit hatte ihn blind für alles andere gemacht, und so war ihm entgangen, dass sein Abba Pläne für die Familie schmiedete.
    Die Traditionen und Gesetze über Familienbündnisse reichten weit zurück in jene Zeit, da fremde Marodeure regelmäßig über die Dörfer herfielen, um Ernten und Häuser zu plündern. Daraufhin hatten die Ahnen beschlossen, dass die Familien einander beistehen sollten, um das Überleben der Gemeinschaft zu sichern, und mit den Jahren hatte sich der regelmäßige Austausch von Söhnen und Töchtern als bester Schutz in Zeiten der Not erwiesen. In Avrams Familie zum Beispiel gab es zu wenig Männer, um die Weinberge zu bearbeiten und die Ernten zu schützen. Yubal heuerte zwar oft genug Männer für derlei Aufgaben an, aber die naschten lieber an den Trauben und nahmen bei einem Überfall sofort Reißaus. Außerdem drohte die Familie auszusterben. Neben der alten Großmutter gab es nur noch Yubal, Avram und seine drei Brüder. Also würde man ein neues weibliches Familienmitglied aufnehmen, vorzugsweise eines mit vielen Brüdern und Onkeln, die die Weinberge bewachen und keinesfalls die Familie bestehlen würden, mit der sie verschwägert waren. »Und wer wird das sein?«, fragte Avram, während ihm mehrere Anwärterinnen durch den Kopf gingen – die Töchter von Sol, dem Maisbauern, die Nichten von Guri, dem Lampenmacher, oder die jüngste der Zwiebel-Schwestern.
    Yubal räusperte sich umständlich. »Eine Tochter aus dem Serophia-Clan.«
    Avram starrte ihn fassungslos an. »Serophia«, murmelte er.
    Yubal hob beschwichtigend die Hand. »Gewiss ist das eine Überraschung für dich. Aber wir haben die Göttin befragt, und sie hat durch Reina gesprochen. Wir haben auch den Sterndeuter und die Wahrsager befragt. Sie alle

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