Krock & Co.
Begrüßung…
»A..a..haha.. de..he..er Wahachtme..hi..ischte..her!« Er zog seine Hand zurück, schlich durch den Raum, nicht etwa gerade wie ein gewöhnlicher Christenmensch, sondern seitlich, so, als sei die rechte Schulter die Brust – und beim Gehen kreuzte er mit den Beinen, als wolle er schwierige Tanzschritte üben. Er brachte einen Stuhl. »Ne..he..hemet Plaha..hatz, He..he..herr… Soho..ho isch rehe..hecht.« Er selbst stützte die Hände auf die Werkbank, stieß sich vom Boden ab und hockte dann oben; seine Füße ließ er baumeln, bald schneller, bald langsamer, die rechte Schulter war immer noch vorgeschoben… Auf der Feldschmiede glühten Kohlen. Fritz Graf schien die Anwesenheit Martha Loppachers nicht zu bemerken. Da er der Jungfer keinen Stuhl angeboten hatte, setzte sich das Bürofräulein aufs Bett, das in einem Winkel aufgeschlagen worden war, der Feldschmiede gegenüber. Das Köfferchen, das die Schreibmaschine enthielt, stand auf dem Boden.
Und Studer fragte sich, warum die Loppacher wohl dem Jean Stieger von Hand geschrieben habe statt mit der Maschine. Er wurde nicht klug aus der bemalten Jungfer. Eine Gans hatte sie Joachim Krock genannt. Schließlich, es war zu verstehen, daß sie sich in den Velohändler verliebt hatte. Zuerst hatte sie wohl nur, wie sie sagen würde, »das Kalb« mit ihm machen wollen. Und dann? Hatte der Mann eines schönen Tages zugegriffen? Zuzutrauen war es ihm schon. Er hatte mit seinen Tieren zusammengelebt, seine Tiere hatten ihn lieb… Lieb?… Was hieß das anderes, als daß der schwarze Velohändler eine gewisse Anziehungskraft auf alles Lebende ausgeübt hatte? Was war die Loppacher anders als ein Tierlein? Ein Tierlein mit Handelsschulbildung? Sie klapperte auf der Schreibmaschine nach, was man ihr vorsprach.
Solche Gedanken gingen dem Wachtmeister durch den Kopf, während er auf seinem Stuhle saß und den baumelnden Beinen des Fritz Graf zusah.
»Warum habt Ihr Eure Stelle in St. Gallen verlassen?« fragte Studer.
»Wa… ha… Weil…« Stocken. Unglaublich, wie der Mann seinen Mund verziehen konnte. Wie rote Kautschukbänder waren die Lippen. Sie dehnten sich aus, schrumpften zusammen… Manchmal war der Mund so groß, daß man Angst hatte, er werde die Ohren verschlucken, und dann wurde er winzig und rund. »Wa… ha… weil…« Der Mann kam nicht weiter – und doch hatte der Wachtmeister den Eindruck, daß dieses Stakeln unnatürlich war – vielmehr, daß der Mann unter Umständen ganz richtig und ruhig würde sprechen können. Aber unter welchen Umständen?
Endlich, nach vielen Ansätzen, konnte der Fritz erklären, er habe von der Verhaftung seines Bruders durch Herrn Krock erfahren…
»Durch Herrn Krock?« wiederholte Studer fragend, ungläubig.
Und da kam zum ersten Male vom Bett her Antwort.
– Fritz Graf, teilte Martha Loppacher in ihrem einfältigen Schriftdeutsch mit, sei Ausläufer im Büro gewesen.
»Ja… ha… ha! A… ha… hauslö… hö… lfer!«
Soso, Ausläufer! Beim Herrn Krock! Studer schneuzte sich geräuschvoll, und dann änderte er seine Taktik. Er ließ den Fritz Graf in Ruhe und wandte sich der Tippmamsell zu.
»Fräulein Loppacher«, begann er. »Ich habe Sie schon lange Verschiedenes fragen wollen. Aber sie werden wissen, daß ich dazu kein Recht habe. Wenn ich mich mit dem Fall befasse, so nur deshalb, weil ich es erstens Frau Rechsteiner versprochen habe und weil ich zweitens von der Unschuld Ihres Freundes, des Velohändlers, fest überzeugt bin.«
»Ja… haha… De Ernscht ischt oscholdi!« krächzte Fritz Graf.
»Schwyg letz, du Laferl!« sagte Studer gemütlich. »Damit ich dies aber beweisen kann, sollten Sie offen zu mir sein und mir ein paar Fragen beantworten. Wollen Sie?«
Martha Loppacher nickte und sagte: »Ja!«
»Gut. Was steht in den Briefen, die Ihnen der Wirt Rechsteiner diktiert?«
Das Mädchen stand auf, öffnete den Koffer ihrer tragbaren Schreibmaschine und reichte dem Wachtmeister einige Blätter. Kopien. Studer las sie schnell durch…
Anfragen an Banken, an Vermittlungsbüros, an bekannte Wucherer (ein paar Namen und Adressen kannte Studer), welche die Polizei noch nicht hatte fassen können. Bitten um Darlehen. Dreitausend, fünftausend, zweitausend. Als Sicherheit wurde das Haus angeboten. Es sei, so hieß es in den Briefen, nur mit einer ersten Hypothek belastet… Warum tat der Rechsteiner dies alles hinter dem Rücken seiner Frau? Wozu brauchte ein kranker Mann soviel
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