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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Bewandtnis mit dem Selbstmord? – Das könne er nicht so ohne weiteres am Telephon erzählen, erklärte Studer. Selbstmord oder nicht, tot sei der Mann auf alle Fälle und sein Sekretär ebenfalls. Ob er die Erlaubnis habe, bis zur Aufklärung des Falles in Schwarzenstein zu bleiben? – Der ›Alte‹ war gnädig und gab diese Erlaubnis…
    Studer zog seine Uhr. Das Gespräch hatte zehn Minuten gedauert, aber keine Stimme hatte es unterbrochen, um zu bemerken, daß drei Minuten vorbei seien. So war es immer!… Mit der Frau durfte man nicht ruhig reden, aber wenn eine Behörde im Spiel war, dann…
    Der Wachtmeister trat aus der Sprechzelle. Hinter dem Schalter saß eine Frau, die ihn mit neugierigen Augen musterte, während sie ins Telephon sprach: »Jawohl, Herr Polizeidirektor, gern, Herr Polizeidirektor…« Was hatte die Jungfer mit dem »Alten« zu verhandeln? Studer erkundigte sich, wieviel er schuldig sei. – Sie habe Auftrag erhalten, die Rechnung für alle Telephongespräche, die der Wachtmeister führe… ja, ähäm führe – der Polizeidirektion St. Gallen zu stellen…
    Soso. Da waren also die Ferien zu Ende und man war ›in Mission‹. Mira… Studer schwieg einen Augenblick, während er die Posthalterin musterte. Dumm schien sie nicht zu sein. Jung war sie auch noch. Studer legte die Unterarme auf das Schalterbrett und bereitete sich auf einen kleinen Schwatz vor.
    Er wollte sich nicht eingebildeter geben, als er sei, meinte er. Aber so viel habe er merken können, daß er dem Fräulein telephonisch vorgestellt worden sei. Oder? – »Frau!« berichtigte die Pöstlerin. »Frau Gloor.« Ja, der Herr Polizeiinspektor habe sie über Namen und Beruf des Wachtmeisters aufgeklärt und sie gebeten, ihm hilfreich zur Seite zu stehen. (»Hilfreich zur Seite stehen!« dachte Studer. »Dich brauch' ich grad!«) Aber höflich lächelnd fuhr er fort: –Das sei ja gut und schön und somit erlaube er sich, ein paar Fragen zu stellen. Sei letzte Nacht das Hotel ›zum Hirschen‹ antelephoniert worden? Ja. Etwa um zwei Uhr. – Von wo? – Von Rorschach. Und wer habe geantwortet im Hotel? – Die Italienerin. – Habe Frau Gloor verstehen können, was gesprochen worden sei?
    Die Pöstlerin wurde rot, und das stand ihr nicht übel. Sie habe, erklärte sie, vorgestern schon vom Herrn Verhörrichter den Auftrag erhalten, die Gespräche mit dem Hotel abzuhorchen. Leider verstehe sie nicht gut genug Italienisch, und außerdem sei noch im Dialekt gesprochen worden – und der Herr Wachtmeister wisse sicher, wie schwer die italienischen Dialekte zu verstehen seien…
    Studer nickte.
    – Ein paar Wörter habe sie gleichwohl verstanden. ›Automobile‹, ›rosso‹, ›subito‹ und ›stazione‹.
    – Wer habe gesprochen? Ein Mann oder eine Frau? – Eine Frau… (Die Krankenschwester, dachte Studer.) Um zwei Uhr! – Hin. Etwa um diese Zeit mußte der Schnellzug Paris-Salzburg-Wien in Rorschach durchfahren… Aber es war unmöglich, absolut unmöglich, daß Herr Bankdirektor Jacques Gardiny wegen Joachim Krocks Tode gekommen war. Der Auskunfteibesitzer von St. Gallen war gestern abend um neun Uhr gestorben – und um zwei Uhr war der Bankdirektor in Rorschach angekommen… Warum fuhr der gelähmte Mann eigens von Paris in ein winziges Dorf des Appenzellerlandes? Er würde natürlich behaupten: zur Kur. Und doch mußte sein Erscheinen einen anderen Grund haben… Den Tod des Jean Stieger? War etwa dieser Jean Stieger, dessen Gesicht eine wahrhaft internationale Gemeinheit ausdrückte, der wahre Besitzer des St. Galler Büros, und Joachim Krock nur ein Strohmann? So tief war Studer in seine Gedanken vergraben, daß er es schier vergessen hätte, von der freundlichen Frau Gloor Abschied zu nehmen, und nur ihr Zuruf: »Adie wohl, chönt bald wieder!« ihn an diese Höflichkeitspflicht gemahnte. – »Märci denn, uff Wiederluege, Frau Gloor!«
    Wo war es am stillsten zum Nachdenken? Wo wurde man am wenigsten gestört? Auf dem Friedhof… Er breitete sich aus hinter der Kirche, an deren Rückwand eine Bank lehnte. Studer setzte sich. Einige Gräber sahen aus wie große Maulwurfshaufen, andere wieder waren kleine Beete, so wie Kinder sie manchmal anlegen, wenn sie Gärtner spielen. Hier und dort verdorrten Kränze, und ihre Schleifen glichen verwaschenen Fahnen, die durch viele Schlachten geflattert sind. Die Wolken hatten sich über den Bodensee geflüchtet, ins Schwäbische hinüber, und nur ein paar dünne, zerfetzte

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