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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Tücher zurückgelassen, durch die schon der Himmel schimmerte, tiefblau und sommerlich. Aber die Kirchenwand lag nach Norden – das war gut, denn gern verzichtete man heute auf die Sonne und suchte den Schatten auf. Still war es, unwahrscheinlich still. Nur manchmal war es, als hämmere im Grase ein Zwerg auf Silber und Glas – aber es war nur eine Grille oder ein Heugumper.
    Jaja, die Toten hatten es besser! Sie hatten alles hinter sich: eigene Hochzeit und Taufe und wieder Hochzeit der Kinder – sie hatten nichts mehr zu tun mit Kriminalistik, einer Wissenschaft, in der man den Maulwurf spielen und dunkle Gänge unter der Erde ausgraben mußte. Sie hatten, die Toten, ein für allemal ihren Hügel aufgeworfen, und darunter schliefen sie nun und warteten… Warteten sie wirklich? Und worauf?
    Doch solche Gedanken waren nach Wachtmeister Studers Ansicht: ›Chabis.‹ Aber er nahm das Wort sogleich zurück. Nein, solche Gedanken waren richtig und gut, schade nur, daß man ihnen nicht öfter nachhängen konnte. Es wäre nützlich, dachte der einsame Mann, wenn man hin und wieder an den Tod dächte – dann bekäme man Abstand von all der Aufregung, der Hetze… Man würde lernen, nicht alles so wichtig zu nehmen, weder sich noch seine Arbeit; und Erfolge sowohl als auch Mißgriffe bekämen ein ganz anderes Gesicht – auf einem Friedhof…
    Item. Da war nun der Fall Stieger-Krock. Würden die Gedanken, die dieser Fall weckte, standhalten dem Gerichte der Toten? Wir wollen es versuchen…
     
    Fall Stieger:
    Das Auffallendste an ihm war die Waffe, die zum Mord verwendet worden war. Halt, schon das war falsch ausgedrückt. An und für sich ist eine Velospeiche nicht auffälliger als eine Hutnadel, eine Stricknadel, ein Florett. Sah es nicht aus, als habe man – und lassen wir vorläufig die Persönlichkeit dieses ›man‹ ganz beiseite – als habe man also wirklich gewünscht, Aufsehen zu erregen? Wenn eine Hutnadel gebraucht worden wäre – hätte man zuerst an eine Frau gedacht. Bei einem Florett an einen Fechter. Bei einer eisernen Speiche, der Speiche eines Velorades, dachte man – an einen Velohändler. Er wohnte nebenan, ein Zeuge (Küng Johannes) hatte ihn ums Haus schleichen sehen. Außerdem, der Velohändler besaß einen Hund, und ein Haar vom Felle dieses Hundes klebte an der Speiche… Die Behörde hatte also ganz korrekt gehandelt, als sie auf Grund dieser Indizien (wie das schöne Worte lautet) den »Grofe-n-Ernscht, de suuber Feger« verhaftete; besonders wenn noch hinzukam, daß besagter Velohändler in eine bemalte Jungfer verliebt war, die den Toten mit den Kinoworten: »Mein Geliebter!« bedacht hatte.
    Aber: Jean Stieger sah aus wie die verkörperte Gemeinheit! Halt! Das war der rein subjektive, der persönliche Eindruck eines fünfzigjährigen Fahnderwachtmeisters aus Bern. Ein Fahnderwachtmeister ist nicht unfehlbar. Es konnte möglich sein, daß der plötzliche Überfall das Gesicht des Mannes verzerrt hatte – und der gleich darauf eingetretene Tod konnte die Züge in dieser Verzerrtheit belassen haben. Das war eine Möglichkeit – gegen diese sprachen zwei kleine Vorfälle, die von obengenanntem Berner Fahnder zufällig beobachtet worden waren, aber bis jetzt irgendwo im Hirn dieses Wachtmeisters geschlafen hatten. Nun meldeten sie sich plötzlich.
    Studer vergegenwärtigte sich diese zwei Vorfälle noch einmal.
    Die Hochzeitsgesellschaft sitzt an einem der Tische im Speisesaal. Niemand hat recht Hunger, weil das Mittagessen üppig gewesen ist. Um halb neun bringt die Saaltochter Kaffee. Das Hedy übernimmt das Einschenken. Da betritt ein Mann den Saal; er ist sehr groß, sicher fast zwei Meter hoch. Bei der Türe nimmt er Platz, die Saaltochter bringt ihm ein hohes Glas, das zu einem Viertel mit einem fremden Schnaps gefüllt ist, und stellt eine Siphonflasche auf den Tisch. Der junge Mann legt seinen Arm um die Hüften der Kellnerin; diese reißt sich los, geht fort. Der Bursche bleibt sitzen, trinkt langsam seinen Whisky. Viertel vor neun zeigt die Uhr, die über der Tür des Speisesaals angebracht ist. Da steht der junge Mann auf, geht hinaus. Nach drei Minuten erhebt sich auch der Berner Fahnderwachtmeister, es ist so schwül im Saal, obwohl die Fenster offen stehen, er möchte gern ein wenig unverfälscht-frische Luft schnappen. Wenn man aus der Tür tritt, gelangt man auf einen Gang, der sich an der Hinterwand des Hauses entlang zieht. An seinem Ende führt ein Türlein ins

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