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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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anspringt. So war's auch heute morgen. Mein Zimmer, ganz oben unterm Dach, geht auf die Straße. Ich bin aufgestanden und hab' hinausgeschaut. Und wißt ihr, wen ich gesehen hab'? Das Otti!« Wieder sagte Studer: »A bah!«, einfach, weil ihm nichts Besseres einfiel und er doch sein Interesse an der Erzählung bekunden mußte. »Kann das Otti denn Auto fahren?« – »Ja, denk dir, Wachtmeister, das hab' ich mich auch gefragt. Sie hat einen blauen Regenmantel getragen – und den Regenmantel hätt' ich nicht kennen sollen? Sie ist abgefahren, und ich bin wach geblieben. Um fünf Uhr hat sie sich leise in ihr Zimmer geschlichen.« – »Syt-r sicher?« Und als die Jungfer Schätti beleidigt schwieg, versicherte Studer, er zweifle keinen Augenblick an der Erzählung, aber ob die Frau auch sicher sei, daß es das Otti gewesen sei und nicht das Gespenst? –»Du bischt en Wüeschte, Wachtmeister!« und dann merkte die Köchin plötzlich, daß sie ihren Gast geduzt hatte, wurde wieder rot und entschuldigte sich. Aber Studer klopfte ihr beruhigend auf die spitze Schulter. Das habe nichts zu sagen, und: »Nimm's nid schwär, Fraueli!« Er winkte ihr mit der Hand, dann verließ er die Küche.
     
    Die Straße war fast trocken, aber der Bach unten im Tobel rauschte laut. Am meisten wunderte sich Studer, daß er keine Miststöcke sah. Die Wände der Häuser waren mit Schindeln belegt – kleinen, unten abgerundeten Holzschindeln – und blauweiß gestrichen. Es gab breit vorstehende Dächer, die an Kopftücher erinnerten, weil sie über die Schmalseite des Hauses hinausragten und so die Stirne der Wand gegen Sonnenstrahlen und Regen schützten. Auf einem Feuerweiher schwamm Entensalat, was der Wachtmeister mißbilligend feststellte. Dann kam die Kirche – der einzige Steinbau des Dorfes – und daneben erhob sich das Pfarrhaus. Ein bescheidener Laden – und Studer dachte an die Dörfer im Bernbiet, an ein Dorf besonders, in dem er einmal einen Fall hatte aufklären müssen (was ihm damals einige Knochenbrüche und eine Brustfellentzündung eingetragen hatte). In jenem Dorf – er sah es genau – hing ein Ladenschild am andern wie in einer Gemäldeausstellung. Und aus den Fenstern blöckten, sangen, jodelten die Lautsprecher. In diesem Appenzeller Dörfli aber war es merkwürdig still. Ein Laden und keine Beize. Im »Hirschen« gab es wohl eine Wirtsstube, und die genügte…
    Die Post… Studer trat ein. Er verlangte eine Nummer in Bern. Es dauerte fünf Minuten, dann hatte er die Verbindung. Das Hedy, des Wachtmeisters Frau, gab Auskunft: Wohl, es sei alles gut gegangen. Die Marie (das war Studers Tochter) mache in Arbon die Wohnung z'wäg und erwarte mit Ungeduld ihren Mann. Ob der Köbu bald fertig sei, dort oben in seinem Krachen? Vom Amtshaus habe man schon zweimal angeläutet und gefragt, wo er sei. – Darauf Studer, brummig: Er habe doch Ferien, soviel er wisse. –»Ja«, meinte das Hedy, und: das stimme schon. Aber soviel sie verstanden habe, sei hier etwas ganz Großes im Gang. Es sei vielleicht besser, er läute dem »Alten« an… Da unterbrach eine Stimme das Gespräch und bemerkte, daß drei Minuten vorbei seien. »Lebwohl, Hedy« sagte Studer. »Lebwohl!« klang es zurück.
    Zufällig war der »Alte« – wie der kantonale Polizeidirektor von seinen Untergebenen genannt wurde – in seinem Büro, als der Wachtmeister ein paar Minuten später anläutete. Er meldete sich: »Wachtmeister Studer« und fragte, was passiert sei, seine Frau habe ihm mitgeteilt, man brauche ihn in Bern… – Eine verkachelte Angelegenheit, wurde ihm erwidert, und es sei wirklich schade, daß der Wachtmeister verreist sei, gerade wenn man ihn gut brauchen könne. Gestern sei in Interlaken ein dunkler Geschäftsmann verhaftet worden, auf den man aufmerksam geworden sei durch einige Inserate in Zeitungen: »Darlehen ohne Bürgschaft. Postfach 39, Interlaken.« Man habe den Mann abgefaßt und in seinem Büro eine große Korrespondenz gefunden. Der Statthalter sei selbst nach Bern gekommen mit allen Akten. Unter dem beschlagnahmten Material seien einige Briefe gewesen, unterzeichnet mit »Joachim Krock«; sie kämen aus St. Gallen. Nun habe der »Bund« heute morgen den Tod dieses Joachim Krock gemeldet – der Mann, so habe es geheißen, habe Selbstmord begangen in einem Dorf Schwarzenstein – und er, der Polizeidirektor, habe durch Frau Studer erfahren, daß der Wachtmeister gerade in Schwarzenstein sei. Was habe es für eine

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