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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Hans. Die hätten nur so gegrinst. Nämlich, die wußten Bescheid, die hätten schon als Jungs mit Weserschlamm experimentiert, und nie sei dabei ein Aal oder sonstwas rausgekommen. Und ein paar von denen wären mal richtige Seemänner gewesen, auf Frachtseglern und Teeklippern, und die hätten mitten auf dem Atlantik Glasaale gesehn. Klein wie ein Finger und beinah durchsichtig, und immer unterwegs Richtung Europa. Nichtwahr, sagte Hans. Das sei ja mal klar, daß die irgendwo im Atlantik schlüpften. Aus Eiern wie die Kaulbarsche und Karauschen, und nicht hokuspokus aus dem Faulschlamm.
    Sie marschierten Richtung Martinianleger und querten den Fluß über die Stintbrücke. Auf der anderen Seite lag ein Nachen vertäut, und Hans ruderte gegen die Teerhofinsel. Sie versteckten den Nachen im Schilf und fanden ein Loch im Zaun. Früher wurden auf dem Teerhof die Segler flottgemacht, getakelt, kalfatert, so was. Und später standen dann prächtige Häuser, eine Kaffeefirma, auch eine Burg, doch die Bomben hatten schließlich alles zerschlagen. Pracht und einstige Höhe eingestampft, nur noch Zacken und Etagenreste, als hätten Wucht und Hitze eine ganze Zivilisation zerschmolzen; alle Fähigkeiten und alles Wissen ausgelöscht, und so trieben die Zacken gegen den Himmel, und einmal sahen sie noch ein Porträt hängen, als wäre nie etwas geschehen.
    Für Hans war die Trümmerwelt so alltäglich wie die Aale; er zog ein in die Tiefe und durchstreifte die Karkassen und Tracheengänge nach etwas Brauchbarem. Hökersachen, Rohstoff, der noch nicht verfeuert oder mit dem Wiederaufbau verschmolzen war. Hans hatte ein Auge auf viele Dinge, und immer wieder brachte er etwas aus den Trümmern hervor. Und wenn er sich erwischen ließ, war aller Aufwand für die Katz gewesen.
    Anfangs hatte Willem Angst, als Trümmerdieb vor die Mutter gebracht zu werden. Doch bald spürte er ein Prickeln bis unters Schädeldach; bald einen Sog, der alles erfaßte, und er fühlte sich wie ein erster Mensch. Wie ein Juri Gagarin, und wie ein letzter, der auf die Relikte eines grandiosen Untergangs blickte, und auch Hans konnte das Prickeln und den Sog spüren. Doch am Ende war sein Beuteinstinkt stärker, und mit den Trümmerhaufen hielt er es wie mit den Aalen: Er betrieb Aufwand für einen Zweck und richtete seine Erfahrungen darauf aus. So zogen sie durch die Karkassen und Tracheengänge, und die Welt zuckte im Strahl der Karbidlampe.
    Der Pfiff kam plötzlich, und Willem erschrak. Er drückte sich dicht an den Kameraden, und dann konnte er es auch sehen. Sie waren in einen unversehrten Raum gestoßen; das Licht krängte, die Wände schienen aus dem Gleichgewicht. Doch die Gläser, die aufgereiht in den Nischen standen, schoben die Verhältnisse schnell zurecht, und Hans stieß noch einen Pfiff. Eine Batterie von Eingewecktem, leuchtende Fossilien längst vergangener Sommer, und sogar das Sütterlin auf den Etiketten war noch zu lesen.
    Ãœber die Tage schafften sie diese Unterweltbrocken hinaus, freuten sich am Bernsteinglanz einer Vergangenheit, und die Oma vom Hans schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Auch die Geschwister johlten, nur der Vater stand einfach da. Stumm und seltsam hölzern mit dem losen Ärmel in der Tasche.
    Das Prickeln, das Willem in den Trümmern spürte, der Sog beeindruckten ihn. Wie Hans machte auch er seine Erfahrungen; legte Aufwand und Zweck gegeneinander, ordnete seine Eindrücke, verglich und verknüpfte sie und kam bald zu dem Schluß, daß die Fähigkeiten seiner Mutter zur Fernwirkung womöglich einen wirklichen Hintergrund hatten. Daß das Unheimliche und Geisterhafte einfach in zwischengeschalteten Auskünften lag. Ein Geflecht aus Beziehungen, dachte Willem. Mehr nicht, und wo die Beziehungen der Mutter nicht hinlangten, war er frei. Sie wußte nicht, wer in ihm steckte, und wenn er mit Hans unterwegs war, schien er außer Gefahr.
    Doch ausgerechnet die Oma vom Hans offenbarte Willem, wie trügerisch sein Schluß war. Wie Heimtücke und geisterhafte Fernwirkung noch die besten Absichten unterwanderten.
    Dieser Kronhardt-Junge, hatte die Oma gesagt, ist ein guter Junge; er gibt uns seine Wurst vom Brot, und dann schafft er noch die Weckgläser in unsern Keller. Der ist aus gutem Haus und hilft trotzdem. Auch wenn wir arme Leute sind, sagte die Oma, wollen wir

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