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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Tauben zu Hausgenossen geworden; bald sahen die Menschen sie als ihre Geschöpfe, die sie prachtvoll und fett züchteten, bald als ihre Kameraden. Und vor allem die Eigenschaft der Tauben, von überall zu ihrem Schlag zurückzufinden, besiegelte die Kameradschaft. Zuerst brachten sie Post, dann kamen sie mit an die Front und brachten Informationen sicher über die Feindlinien hinweg. So wurden aus den tierischen Kameraden auch noch Kampfesbrüder, hatte der Vater gesagt und gelacht. Und die Menschen hefteten den Tieren dafür Orden an die Brust.
    So also zuckelten die Tauben unversehrt durch die Zeit und bekamen bis heute Brocken hingeworfen, während andere mühsam die Groschen für ihre Kinder leiern mußten. Für die Tauben schien es ein bequemer Weg; ihre alten Instinkte verkümmerten wohl, dennoch überlebten sie mühelos. Der Vater hatte gesagt, daß diese Tauben die Schönheit der Welt hinter sich gelassen hatten. Sie hatten Orden bekommen und konnten sich sogar Geschwulste und Klumpfüße leisten. Und so zuckelten sie unbehelligt durch die Städte, verkümmerte Allesfresser, die keine Vorstellung mehr von einem Leben in den Wäldern hatten, von luftigen Felshöhlen. Sie mußten nicht mal mehr flüchten, und obwohl Willem sie verfolgte und bald seine Mütze in die Luft warf, blieb das beeindruckende Bild einer aufsteigenden Masse aus.
    Die Fassaden um den Marktplatz waren wieder schöngemacht, die Spuren vom Krieg getilgt. Die Ausflügler photographierten, und auch die Bürger freuten sich an der herausgeputzten Geschichte. Die Lebendigkeit aber dieser Geschichte blieb hinter dem Putz verborgen; die Käfige etwa, die an diesen Mauern aufgehängt worden waren; die Nackten darin, die begafft wurden und verspottet, bis die Tiere kamen. Auch das Echo blieb in den Mauern verborgen, wenn eine Falltür klappte; wenn Hunde nach der baumelnden Fracht schnappten und rings das Volk unterm Galgen auflebte, plötzlich groß wurde und sich am Gefühl der Macht berauschte; wenn sie mit Stecken und Steinen die baumelnden Körper bedrängten und aufwärts spuckten wie gegen einen verhaßten Herrn, und der Vater hatte gesagt, daß die Gehenkten schon immer die Brocken gewesen wären, um das Volk zu zähmen. Noch die Kriege, hatte der Vater gesagt, diese grandiosen Schlachtfeste und kannibalischen Heldentaten, hätten so funktioniert, und zuletzt hätte man dem Volk die Juden vorgeworfen; Abermillionen Brocken, doch auch diese Spuren wurden wieder schöngemacht und getilgt.
    Vor dem Portal der Böttcherstraße stand ein Schupo und bewachte die Instandsetzung der Goldenen Pforte. Heda, Junge!, und die Hand vor Willems Brust war groß und behaart. Die Knöpfe der Uniform glänzten, die Schulterstücke und der Kopf mit dem Tschako waren riesig. Willem spürte sofort die durchdringende Kraft. Um so mehr, da die Mutter und Kronhardt den inneren Hackenschlag gegen die Obrigkeit forderten und Willem sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen konnte, als von einem Schupo nach Hause gebracht zu werden. Und so stand er stramm.
    Der Polizist machte ein verdattertes Gesicht. Junge, willst du mich verkohlen?
    Und Willem stand noch strammer.
    Du Lauser. Dann nahm er Willem am Schlafittchen. Die Zeiten sind vorbei, Junge. Sei froh, daß du da noch nicht gelebt hast.
    Willem nickte.
    Wo willst du hin?
    An die Weser.
    Hier ist dicht.
    Ja.
    Dann legte er die große Hand auf Willems Schulter. Wir bauen die Böttcherstraße wieder auf.
    Ja.
    Und steh nicht so da.
    Willem wußte nicht, was der Polizist meinte.
    Mußt nicht strammstehen, Junge.
    Nein.
    Und der Mann lachte. Ich war Bootsmann auf der Nordstern, als der Schlamassel losging. Wir lagen in Veracruz und kriegten grad die Bäuche voll. Tabak, Kakao und Sisal, und die Hälfte der Mannschaft wollte erst gar nicht zurück. Wir wollten den Krieg nicht, wir musterten ab und gingen auf die mexikanischen Dampfer. Ich kam dann 45 gleich zurück; die Toten begraben und die Heimat wieder aufbauen, und als die Amis Polizisten suchten, habe ich mich gemeldet. Eine Stadt, habe ich gesagt, ist wie ein Dampfer. Wenn jeder Mann seinen Posten klarhält und noch ein Auge für den andern hat, dann wirds schon schiefgehen. Das habe ich den Amis gesagt und bin Schutzmann geworden. Aber strammstehen braucht bei mir keiner.
    Willem nickte. Dann sagte er: Und die Böttcherstraße?
    Die

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