Kryptum
gibt es etwas Neues?« fragte David.
»Ja«, antwortete der Kommissar, »ich habe Maliaño doch |422| vorhin erzählt, daß in der NSA irgend etwas im Gange ist. Ich glaube, James Minspert ist auf dem Weg nach Antigua. Wenn er nicht schon hier ist …«
»James höchstpersönlich?« fragte David überrascht.
»Er hat scheinbar Lunte gerochen. Ich muß Ihnen ja wohl nicht eigens erklären, daß Sie fortan noch mehr auf der Hut sein müssen.«
»Danke, Kommissar.«
Der Kryptologe teilte den anderen die Neuigkeiten mit und ging dann die acht Pergamentkeile holen.
Er legte sie auf den Tisch und fügte sie zu vier gleichseitigen Dreiecken zusammen. Dann gruppierte er die Dreiecke so, daß sie ein Kreuz ergaben.
»Warum ordnen Sie sie so?« fragte Rachel neugierig.
»Sie haben mich darauf gebracht. Im Schlaf haben Sie die Stücke so zusammengesetzt, als Sie gestern im Krankenhaus in dieser unverständlichen Sprache geredet haben. Sehen Sie?«
Und er zeigte ihr die Grafik, die Doktor Vergara ihm gegeben hatte. Danach wandte er sich an Maliaño.
|423| »Haben Sie so etwas im Escorial?«
»Lassen Sie mich sehen«, bat der Architekt. »Hm … Diese Form erinnert mich an ein Ornament, das in Antigua auf Mauerresten aus westgotischer Zeit zu finden ist. Es ist ein germanisches Kreuz … Und was diese Linien betrifft … so etwas ist tatsächlich auch bei Herreras Plänen zu finden …«
Noch während er sprach, hatte er mit dem Finger die labyrinthischen Linien nachgezeichnet. Plötzlich hielt er wie vom Donner gerührt inne. Er nahm die Brille ab, um die beiden jungen Leute anzusehen, und sagte dann tief bewegt:
»Gott im Himmel …! Ich würde sagen, die vier Fragmente, die ich im Escorial aufbewahre, sind die Keile, die fehlen, um das Muster dieses Pergaments zu vervollständigen.«
»Wir haben es!« rief David triumphierend.
»Hast du sie auch meiner Mutter gezeigt?« fragte Rachel vorsichtig.
»Ja. Und jetzt verstehe ich auch ihre Reaktion. Sie müssen ihr den Schlüssel für das geliefert haben, wonach sie suchte.«
»Dann werden die Fragmente auch uns diesen Schlüssel liefern! Wann können wir zum Escorial fahren?« rief die junge Frau aufgeregt.
»Am besten morgen, am Montag. Dann ist der Klosterkomplex für den Publikumsverkehr geschlossen.«
»Soll morgen nicht die Plaza Mayor mit dem Radar untersucht werden?« wandte David ein.
»Sie haben recht. Gut, dann also am Dienstag.«
»Und warum nicht jetzt? Könnten wir nicht gleich hinfahren?« drängte Rachel.
»Es wird sehr voll sein und ist auch etwas überstürzt. Ich weiß zudem nicht, ob sich die Sicherheitsbeamten um uns kümmern können …«
»Du kannst das doch sicher arrangieren«, bettelte Rachel und hakte sich bei ihrem Patenonkel unter.
»Señor Maliaño hat recht, das ist eine ziemlich überstürzte Aktion«, schaltete sich David ein. »Und Bealfeld hat uns gerade nachdrücklich geraten, sehr vorsichtig zu sein.«
|424| »Und meine Mutter?« sagte Rachel mit schneidender Stimme und sah David dabei durchdringend an.
Es gefiel ihr überhaupt nicht, daß er sich zwischen sie und ihren Patenonkel stellte, weshalb sie den alten Herrn in die Bibliothek zog, weg von David. Der Kryptologe hörte sie eine ganze Weile diskutieren. Bis er merkte, daß der Architekt einwilligte. Besser gesagt: Er gab sich geschlagen.
»In Ordnung«, sagte er. »Während ihr euch im Hotel umzieht, rufe ich im Escorial an und frage nach, ob wir noch heute nachmittag kommen können.«
|425| VII Die Geheimnisse von El Escorial
Ist Herrera endlich in Antigua eingetroffen?« fragt Raimundo Randa seine Tochter, kaum daß sie allein im Verlies sind.
»Das ist er. Ich selbst konnte ihn zwar nicht treffen, wohl aber Rafael.«
»Und? Stimmt es, daß er mich denunziert hat?«
»Ja, aber er tat es, um Euer Leben zu retten.«
»Eine merkwürdige Art ist das!«
»Er wollte nicht mehr erklären; er meinte nur, daß Ihr Euch in jenem Moment in Todesgefahr befandet und daß es das wichtigste gewesen sei, Artal de Mendoza daran zu hindern, Euch heimlich umzubringen. Hinterher wolle er uns die Geschichte in aller Ruhe erzählen. Rafael glaubt, daß er die Wahrheit sagt. Er hat ihm von Eurem Fluchtplan erzählt, wonach Herrera ebenfalls darauf gedrängt hat, den Webstuhl einzulösen. Die Summe hat er dann gleich aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Er hält Eure Idee für gar nicht
so
wahnwitzig.«
»Rebeccas Webstuhl ist also jetzt in deinem Besitz?«
»So, wie Mutter ihn
Weitere Kostenlose Bücher