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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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dann den Deckel des Korbs. Mit einem Satz sprang das Tier auf den Schoß des Kaisers, der das nun schnurrende Kätzchen liebevoll zu streicheln begann.
    Kurz darauf erschien der Wachszieher, um die Kerzen zu erneuern, und danach stattete der Arzt dem Kaiser einen Besuch ab, gefolgt vom Apotheker und dessen Gehilfen. Einer nach dem anderen wurde vorgelassen. Juanelo Turriano sah mich beruhigend an und flüsterte mir zu, dies sei ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Mittagsstunde nahte, das geschäftige Treiben werde aber sicher bald nachlassen. Tatsächlich kehrten die Mönche wenig später wieder in ihre Werkstätten zurück, und die Diener eilten in die Küche, um die letzten Vorbereitungen für das kaiserliche Mahl zu treffen.
    Durch die hereinscheinende Mittagssonne war es in dem mit Wandteppichen geschmückten Raum inzwischen so gemütlich warm geworden, daß der Monarch seinen Kammerherrn Morón bat, ihm die Decke von den Beinen zu nehmen, bevor er auch diesen hinausschickte. Nun, da wir endlich mit dem Monarchen allein waren – eine Gunst, die nur wenigen zuteil |199| wurde –, sah Juanelo Turriano den Moment gekommen, dem Kaiser zu erklären, wer ich wirklich war. Er trat an seinen Sessel, redete leise auf ihn ein und machte mir dann ein Zeichen, vorzutreten und Seiner Majestät den Grund meiner Reise darzulegen.
    Doch Karl V. war ein alter Fuchs. Heimlich, die Katze auf seinem Schoß als Deckung nutzend, hatte er eine Uhr in Gang gebracht, was außer dem Uhrmacher für gewöhnlich niemand wahrnahm, wie Turriano mir später erläutern sollte. Es handelte sich dabei um ein für ihn gebautes Unikat, das er die ›unauffällige Zeit‹ nannte und das aussah wie ein simpler Ring, in Wirklichkeit aber eine Federuhr war, die den Kaiser ab und an ganz leicht am Finger kitzelte, um ihm die Zeit anzuzeigen, die eine Audienz schon dauerte, ohne daß sein Gesprächspartner – in diesem Falle ich – etwas davon merkte.
    Karl V. hatte also die Feder seines Uhrrings aufgezogen, und Turriano, dem dies zwar aufgefallen war, der mich aber nicht warnen konnte, folgte besorgt meinen Erklärungen. Sollten sie dem Kaiser gefallen, würde er die ›unauffällige Zeit‹ anhalten; falls er aber nichts davon wissen wollte oder sie ihn gar langweilten, würde er in dem Moment, in dem ihn die Feder am Finger kitzelte, nach einem seiner Lakaien läuten, der ihm dann unter einem beliebigen Vorwand irgend jemanden schickte, um den Kaiser von dem lästigen Besuch zu befreien, der es gewagt hatte, ihn in seiner Ruhe zu stören. Karl V. geizte mit seiner Zeit. Ihm blieb schließlich nicht mehr viel.
    Ich griff in meinen Lederbeutel, zog die erste Botschaft heraus und reichte sie dem Kaiser. Er sah sie sich lange an und fragte dann verwundert:
    ›Das ist der Brief meines Sohnes?‹
    ›Er ist verschlüsselt, Eure Majestät.‹
    ›Nun, dann soll Gaztelu ihn wie üblich entschlüsseln.‹
    ›Majestät, Euer Sohn sinnt gerade darüber nach, wie er seine Korrespondenz noch besser verschlüsseln kann. Dies hier ist eine Geheimbotschaft, die für Euch höchstpersönlich bestimmt ist. Um ihren Inhalt zu erfahren, müßt Ihr diesen |200| Schlüssel verwenden.‹ Mit diesen Worten hielt ich ihm den zweiten versiegelten Umschlag hin.
    Karl V. brach das Siegel auf und zog ein Blatt Papier und ein Stück Karton mit mehreren Löchern hervor. Nachdem er die Anweisungen gelesen hatte, nahm er den Karton zur Hand und legte ihn über die erste Botschaft.
    ›ETEMENANKI!‹ rief er aus. ›Wo habe ich dieses Wort nur schon einmal gehört?‹
    Der Kaiser machte ein nachdenkliches Gesicht und versuchte sich zu erinnern. Schließlich kam er darauf.
    ›Schon wieder die Toledanos!‹ stöhnte er. ›Ist Don José denn noch in Konstantinopel?‹
    ›Von dort komme ich. Ich habe diesen Brief bereits Seiner Königlichen Hoheit Philipp II. in Brüssel vorgelegt. Er will die Entscheidung Euch überlassen, da Ihr nach seinem Dafürhalten über diese Angelegenheit besser Bescheid wißt.‹
    ›Viel zu gut weiß ich darüber Bescheid! Und das schon wesentlich länger, als Toledano bei den Türken lebt. Ich weiß davon seit der Zeit, als ich mit Suleiman in einem Briefwechsel über den Titel des Königs von Jerusalem stritt, auf den er Anspruch erhob. Aber diesen Titel trage ich schon seit drei Jahren nicht mehr. Durch die Heirat mit Maria Tudor ging er auf meinen Sohn Philipp II. über. Daran seht Ihr bereits, wie meine Antwort an José Toledano lautet. Es

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