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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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kann nur ein entschiedenes NEIN sein zu seinem absurden Vorhaben in Palästina. Müßt Ihr das verschlüsseln?‹
    ›Eure Unterschrift und Euer Siegel werden ausreichen, Eure Majestät, um zu beweisen, daß ich hier gewesen bin.‹
    Bestürzt über die abschlägige Antwort, machte ich mich an die Arbeit. Ich holte das Kästchen mit dem Siegellack hervor, erhitzte ihn über einer Kerze und trug ihn dann zu Karl V., der den Brief schon unterschrieben hatte und ihn nun mit einem goldenen Ring siegelte, in dem ein Chalzedon mit seinem Wappen eingefaßt war.
    ›Außerdem‹, fuhr der Kaiser fort, während er den Ring aus dem Lack zog, ›wird die Casa de la Estanca in Antigua schon |201| seit etlicher Zeit von einer Familie bewohnt namens … Wie war doch gleich ihr Name?‹ Es wollte ihm nicht einfallen, so daß er zu seinem Glöckchen griff und …«
    In jenem Moment fällt Ruth Randa ins Wort.
    »Verzeiht, Vater, aber ich fürchte, ich verstehe nichts von dem, was Ihr mir da erzählt.«
    »Das ist ganz natürlich, meine Tochter. Ich verstand es damals auch nicht. Ich kannte weder Don Josés Vorhaben in Palästina, noch wußte ich von Askenazis Trachten nach dem Titel des Königs von Jerusalem, den er hinter dem Rücken der Toledanos zu erlangen suchte.«
    »Askenazi wollte König von Jerusalem werden? Und die Casa de la Estanca? Was hatte sie mit all dem zu tun?«
    »Das wirst du schon noch sehen. Du wirst mein Verhalten dir und deiner Mutter gegenüber nur verstehen und vielleicht auch verzeihen können, wenn ich dir die Dinge in derselben Reihenfolge erzähle, wie sie mir widerfahren sind. Hab ein bißchen Geduld. Wo war ich stehengeblieben? … Ach ja, ich sagte gerade, daß der Kaiser die Toledanos und diese ganze Angelegenheit unverzüglich mit Palästina, Jerusalem und der Casa de la Estanca in Verbindung brachte. Ich schreckte auf, als er das herrschaftliche Gebäude erwähnte, in dem ich geboren worden war und bis zur Versetzung meines Vaters in die Sierra von Granada gelebt hatte, und meine Hand, die das Kästchen mit dem Siegellack hielt, begann zu zittern, so daß ich es auf dem Tisch abstellen mußte. In diesem Augenblick kam mir auch wieder das Interesse an der Casa de la Estanca in den Sinn, das Don José Toledano bei unserer ersten Begegnung an den Tag gelegt hatte.
    Auf Karls V. Läuten kam Martín de Gaztelu herbeigeeilt. Der Sekretär des Kaisers starrte mich unverwandt an, konnte die Frage seines Gebieters jedoch nicht beantworten, weshalb der Kaiser nach seinem Kammerdiener, Guillaume van Male, schicken ließ, der sich schon seit geraumer Zeit Notizen machte für die Memoiren des Monarchen, mit deren Niederschrift er sich in seinen Mußestunden beschäftigte. Van Male zog seine |202| Aufzeichnungen zurate, wonach er ihm die gewünschte Auskunft geben konnte.
    ›Ihr habt recht, tatsächlich bewohnt eine Familie die Casa de la Estanca in Antigua. Sie ist einige Zeit nach Álvaro de Castros Tod in Andalusien dort eingezogen. Der Name des Familienoberhaupts ist Calderón, Eure Majestät, Manuel Calderón.‹«
    An diesem Punkt seiner Erzählung angelangt und von der Erinnerung an seinen Vater und dessen grausamen Foltertod in der Sierra von Granada gepeinigt, blickt Raimundo Randa zu Ruth auf. Die junge Frau kann die Schwermut an seinem Gesicht ablesen.
    »Laß uns morgen weitermachen, meine Tochter. Heute bin ich dazu nicht mehr in der Lage. Erzähl mir lieber von dir und deiner Mutter. Nicht von den unglücklichen Momenten, sondern von eurem Alltag.«
    »Ihr solltet wissen, Vater, daß sie immer auf Eure Heimkehr gewartet hat. Obwohl wir große Not litten, lieh sie sich Geld, als sie das Gefühl überkam, Eure Rückkehr stehe unmittelbar bevor. Sie besorgte sich die beste Wolle, setzte sich an ihren Webstuhl und begann einen Wandteppich für Euch zu weben. Und daran hat sie bis zu ihrem letzten Atemzug gearbeitet. Es war das einzige Willkommensgeschenk, das sie Euch bieten konnte. Sie …«
    Die Erzählungen der jungen Frau scheinen dem Vater in seiner Niedergeschlagenheit Trost zu spenden, bis sich oben die Zellentür öffnet und der Vermummte Ruth von der Schwelle aus zu sich ruft.
    Randa betrachtet nun genauer, wie sein Kerkermeister sich der silbernen Hand bedient, um den Schlüssel festzuhalten. Seine Augen folgen Artals Bewegungen mit einer Ausdruckslosigkeit, zu der er sich bis dahin nicht fähig gehalten hätte. So kann Randa den Schmerz wahrnehmen, den Artal zu empfinden scheint. Aller

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