Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
der Lauf der Dinge. Städte entstanden, Städte erblühten, Städte starben und verschwanden irgendwann in der Vergessenheit. Die Natur eroberte sich ihren Platz zurück, wenn sie es für richtig hielt. Möglicherweise hatten die Klan ihr Glück schon zu lange herausgefordert und das Gleichgewicht schlug nun zurück, um alles wieder ins richtige Lot zu setzen und auszugleichen. Wenn es die Strafe für die Eroberung des Kontinents Ell und die rücksichtslose Ausbeutung der vorhandenen Ressourcen durch die Klan war, kam sie spät, aber heftig.
Corusal Alchovi hatte in den letzten Tagen kaum geschlafen und sich viele Gedanken über die möglichen Ursachen der gleichzeitig auftretenden Katastrophen gemacht. Er war zu keinem sinnvollen Ergebnis gekommen und wartete nur noch gespannt auf die nächsten Schreckensmeldungen, die dem bisherigen Verlauf nach wahrscheinlich zugleich die letzten Nachrichten wären, die er in seinem Palast verkündet bekäme.
»Lassen wir das Gerede um Pantoffeln und kommen besser gleich zur Sache ...«, schloss der Fürst die kurze Debatte mit Warrhard ab, »... was gibt es Neues zu berichten?«
»Es ist seltsam, mein Fürst. Wahrhaft seltsam. Heute Nacht erlag einer meiner Eiskrieger dem kalten und tödlichen Kuss einer wunderschönen Eisprinzessin. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, in welcher Verzückung wir ihn heute Morgen vorfanden«, sagte Warrhard.
»Das kann ich durchaus. Ich weiß, wie Klan aussehen, die, geblendet durch unübertreffliche Schönheit, verzückt und dennoch gewaltsam ihrer Lebensenergie beraubt wurden. Erspart mir bitte die hässlichen Details des Vorfalls. Aber erklärt mir eines ... wie kommt es, dass sich eine Eisprinzessin von den Höhen des Choquai herab nach Eisbergen verirrt? Diese seltsamen Geschöpfe wagen sich doch sonst nie von ihrem Berg herunter oder gar in die Nähe größerer Ansammlungen der Klan«, antwortete Corusal verdutzt.
»Ich weiß es wirklich nicht zu sagen. Leider konnten wir ihrer nicht habhaft werden. Ihr wisst, wie schwer eine Eisprinzessin zu fassen ist. Wir können nur hoffen, dass es bei diesem einzelnen Übergriff bleibt. Wehe, wenn noch mehr von den hübschen Damen auf die Idee kommen, meinen Männern einen Besuch abzustatten«, sagte Warrhard und war noch immer hörbar unzufrieden über die Tatsache, dass sie die Eisprinzessin nicht hatten einfangen können.
Fürst Alchovi legte die Stirn in Falten und blickte den Anführer seiner Leibgarde mit sorgenvoller Miene an. »Und dann? Das wäre das Ende der Eiskrieger, würde ich annehmen«, gab er seinen Bedenken deutlich Ausdruck.
Warrhard blickte beschämt auf den Teppich vor seinen Füßen und versuchte die verschiedenen Muster zu erfassen, um sich abzulenken. »Ihr habt recht. Das wäre das Ende der Eiskrieger«, gab er unumwunden zu. »Dennoch ... es ist nur eine der Neuigkeiten, die ich Euch berichten wollte. Ein Einzelfall, der hoffentlich nicht an Bedeutung gewinnt, den wir allerdings auch nicht unterschätzen sollten. Ich denke, wir müssen mit allem rechnen, in diesen schlimmen Zeiten.« Warrhard räusperte sich und fuhr fort. »Draußen, vor den Mauern der Stadt, in der Eiswüste sammelt sich ein fremdartiges Heer.«
Der Fürst wurde hellhörig und riss erstaunt die Augen auf. Ein Heer? Aus dem Nichts? Das ist doch nicht möglich! Tag und Nacht halten die Wachen Augen und Ohren offen. Was verbirgt sich denn noch in den unendlichen Weiten der Eiswüste und versetzt meiner Stadt den letzten Todesstoß?, dachte Corusal erschrocken. »Was erzählt Ihr denn da? Wie kann das sein und woher kommt das Heer?«, fragte er. Seine Stimme überschlug sich.
»Ich war genauso überrascht wie Ihr, mein Fürst. Das Heer tauchte sozusagen aus dem Nichts auf. Unerklärlich, wie sie vor den Augen unserer Wachen unerkannt bleiben konnten. Sie sind gut getarnt, tragen von Kopf bis Fuß weiße Kleidung, die sie im Schnee und Eis der Eiswüste nahezu unsichtbar macht. Ihre Gesichter sind vollständig verhüllt. Wir wissen nicht, wie sie dorthin kamen, was sie vorhaben, warum sie sich dort sammeln und woher sie überhaupt stammen. Sie sind bewaffnet und könnten versuchen, Eisbergen zu erobern. Wir sollten sie unverzüglich angreifen und vernichten«, stellte Warrhard nüchtern fest. Den Eiskrieger schien die Bedrohung eines unbekannten Heeres im Gegensatz zu Fürst Alchovi nicht sonderlich zu beeindrucken. Er sah der Gefahr als erfahrener Kämpfer ins Auge. Sie war da und musste beseitigt werden.
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