Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
meiste Zeit nur um irgendwelche Belanglosigkeiten streiten, Krieg führen oder seiner Ansicht nach viel zu weltlichen Tätigkeiten und Vergnügungen nachgehen. Seit er von der Verfolgung der Saijkalsan und ihrer fast vollständigen Vernichtung während der großen Inquisition vor vielen Sonnenwenden gelesen hatte, war er ohnehin wesentlich zurückhaltender und skeptischer geworden. Er blieb daher lieber für sich allein, verfolgte seine Studien oder übte sich im Umgang mit den Saijkalrae. Saijkalsan Sapius hatte andere Aufgaben zu erfüllen, viel Wichtigeres, davon war er überzeugt.
Die Welt befand sich im Umbruch. Etwas rührte sich und die Klan schienen es nicht einmal zu merken. Sapius schüttelte den Gedanken an das möglicherweise Bevorstehende ab – wie sollten sie auch erkennen können, was hinter dem Ganzen steckte und wozu dieser Krieg eigentlich diente. War er doch ein einziges Ablenkungsmanöver vom Wesentlichen. Die Klan wussten nicht, was geschah oder warum oder wofür sie einstanden. Sie waren wie unschuldige Kinder in einem hinterhältigen Spiel, hatten kein Bewusstsein für die Tiefe und den Sinn ihres Daseins, dachte er bei sich. Sie lebten eingeschlossen in ihren eigenen Beschränkungen, in einer geradezu naiven, unwissenden Welt, die nur aus Kryson zu bestehen schien, was so viel wie Tag und Nacht, Licht und Schatten, Weiß und Schwarz oder Gut und Böse bedeutete. Klare Grenzen, eine mit Traditionen und Ritualen überfrachtete Religion der Kojosgläubigkeit gaben ihnen Halt, und offenbar gab es kein Dazwischen. Ihre Welt schien so einfach zu sein. Manchmal beneidete Sapius sie um ihre unbefangene Unwissenheit.
Wie schwer die Last des Wissenden doch auf ihm lag.
Die Klan lebten in den Tag hinein und irgendwann starben sie und fanden ihre letzte Ruhe. Welch Ungerechtigkeit! Er würde niemals Ruhe finden. Sapius konnte nur wenig mit ihnen und ihrer Lebensweise anfangen. Aber mit welchem Volk war das anders? Selbst sein eigenes Land, sein Volk und seine Familie, hatte ihn und seinen inneren Antrieb nie verstanden. Er hatte getan, was er tun musste, und war im Streit gegangen, vor vielen Sonnenwenden schon. Trotzdem gab es von Zeit zu Zeit Ereignisse, die seine Aufgaben berührten und die ihn dazu zwangen, seine Behausung und seinen Schüler zu verlassen, um sich mit den Klan zu treffen, sich zu informieren und ihnen notgedrungen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Das war ihm höchst zuwider, denn bis auf wenige Ausnahmen waren sie in seinen Augen schwer von Begriff, stur und schroff im Umgang mit ihm und allen anderen Saijkalsan, wo es doch nur noch wenige von ihnen gab.
Die Klan verabscheuten die Saijkalsan als bösartige Hexer, hatten Angst vor ihrer Macht. Es hatte eine Zeit vor mehr als tausend Sonnenwenden gegeben, in der die Klan die Saijkalsan gnadenlos verfolgt, ihrer Freiheit beraubt, in feuchten Kerkern gefoltert und beinahe bis auf den letzten der Magie Kundigen ausgerottet hatten.
Erschwerend kam hinzu, dass Sapius nur äußerst ungern die Lektionen mit seinem Schüler Malidor unterbrach. Malidor zu unterweisen war für ihn weit wichtiger als jedes Zusammentreffen mit einem Klan es je sein könnte. Malidor war ein ungeschliffener Rohdiamant, zwar ungemein talentiert und mit ungewöhnlichen Fähigkeiten für die Saijkalsan ausgestattet, aber er befand sich in einem gefährlichen Stadium der Ausbildung. Empfänglich für allerlei unangemessene Einflüsse und persönliche Eitelkeiten, stand er vor der unmittelbaren Gefahr, auf einen Pfad zu gelangen, auf dem er mit seinen bereits erlernten Fähigkeiten schweren Schaden anrichten konnte. Die Studien seines Schülers duldeten keinen Aufschub. Malidor musste bereit sein, wenn seine Zeit gekommen war. Ihn jetzt mit seinen Übungen in der abgelegenen, aber gemütlichen Behausung zurückzulassen, bereitete Sapius Kopfzerbrechen und große Sorgen.
Vor ziemlich genau sieben Sonnenwenden hatte Sapius auf einer seiner Reisen durch den Kontinent Ell die damals noch frischen Gerüchte von einem jungen Klippenspringer gehört. Viele Reisende wollten den mutigen Jungen sehen, der sich vor ihren Augen kopfüber und todesmutig von einer mehr als einhundert Meter hohen, senkrecht abfallenden Felsklippe in die Tiefe stürzte. Unten warteten die tosenden Fluten des großen Ostmeeres auf ihn. Sein Name – Malidor – war zu jener Zeit in aller Munde und er war mit seinen Sprüngen ins kalte Nass schnell zu Ruhm und einem ansehnlichen Beutel voller
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