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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Elischas Empfinden eine halbe Ewigkeit, bis sie sich schließlich mit einem Seufzer der Erleichterung auf das Lager niederließ, den Stab griffbereit neben sich ablegte und ihre entzündeten Hände in ihrem Schoß ablegte.
    »Ich habe gehört, dass du zurückgekommen bist«, begann Ayale das Gespräch, »da habe ich mich gleich auf den Weg gemacht und bin zu dir geeilt. Ich freue mich sehr, dich nach so langer Zeit wiederzusehen. Du siehst mitgenommen aus und solltest besser auf dich achten. Wir werden eine Weile brauchen, bis wir dich wieder aufgepäppelt haben. Außerdem habe ich gehört, dass du dich gleich ins richtige Licht gesetzt hast. Einige unserer jüngeren Schwestern waren empört. Du hast offenkundig Eindruck auf sie gemacht. Nicht den besten allerdings.«
    Unter Eile stellte sich Elischa etwas anderes vor. Aber sie glaubte ihrer Ordensschwester, dass sie sich nach Erhalt der Nachricht sofort auf den Weg gemacht hatte, um sie schnellstmöglich aufzusuchen. Die Auseinandersetzung mit Milana und Laraya hatte schnell die Runde im Ordenshaus gemacht. Schneller, als sie gedacht hatte.
    »Ich weiß«, antwortete Elischa betroffen, »aber ich … ach Ayale, ich konnte nicht anders. Sie waren schrecklich. Ich war müde, traurig und ausgebrannt. Vielleicht habe ich sie ungerecht behandelt, muss sie um Verzeihung bitten und es bei Gelegenheit wiedergutmachen.«
    »Nein, sie sind schrecklich. Du hast gut daran getan, ihnen zu zeigen, wer du bist und was du willst«, lächelte Ayale mit offenem Mund, in dem Elischa bei ihr lediglich noch vier Zähne zählte. »Du darfst dich nicht von ihnen unterkriegenlassen. Sie denken, der Orden gehörte ihnen und sie könnten ihre eigenen Regeln machen. Aber unterschätze sie nicht. Sie werden wie Furien über dich herfallen und kein gutes Haar an dir lassen, wenn du ihnen Gelegenheit dazu bietest. Ich wollte mit dir über einige Veränderungen im Orden sprechen, bevor zur heiligen Mutter gehst. Die Dinge stehen nicht gut, wie du schon bemerkt hast. Aber wie ich sehe, brennen dir einige Fragen unter den Nägeln. Ich will sie dir gerne zuvor beantworten, wenn ich kann.«
    »Wie alt bist du, Ayale?«, platzte es aus Elischa prompt heraus.
    »Ts, ts, ts … der Überschwang der Jugend. Ist das denn wichtig? Es geht mir gut. Mein Körper und meine Knochen könnten stärker sein. Manche Gebrechen plagen mich und rauben mir den Schlaf. Mein Geist ist aber wach. Glaube nicht, was einige Schwestern über mich sagen.«
    »Was sagen sie denn?«, wollte Elischa wissen.
    »Sie behaupten, ich sei nicht mehr bei Verstand. Krank und verwirrt. Die senile Alte. Aber das stimmt nicht. Ich bin wacher als noch Sonnenwenden zuvor. Ich sehe und höre alles, was ich hören will, und ich stelle mich blind und taub, wenn ich Dinge nicht mitbekommen will. Das glauben sie mir. Wenigstens schonen sie mich, haben mich von allen Ordenspflichten entbunden und lassen mich keine schweren Arbeiten mehr verrichten. Du siehst also, das Alter, der Starrsinn und das Verrücktsein haben ihre Vorteile. Ich wusste aber, dass dich die Frage nach meinem Alter quälen wird. Aber um ehrlich zu sein, Elischa – ich weiß nicht mehr genau, wie viele Sonnenwenden ich bereits erlebt habe. Wahrscheinlich sind es mittlerweile mehr als einhundert«, blinzelte Ayale.
    Elischa setzte sich neben Ayale auf das Lager, legte behutsam den Arm um die Schultern der alten Frau und drückte sie an sich. Sie war aufrichtig froh, nach so langer Zeit eineVertraute anzutreffen. Ayale war wie ein Hoffnungsschimmer für sie. Ein Licht in der Dunkelheit, auf das sie zugehen konnte und das ihr den richtigen Weg wies. Elischas Herz wollte vor Erleichterung einen Sprung machen, und all der Weltschmerz tat nicht mehr so fürchterlich weh wie noch kurz zuvor.
    »Ich kann es kaum fassen«, staunte Elischa, »du lebst. Das ist wunderbar. Ich dachte, du hättest den Gang zu den Schatten längst angetreten.«
    »Ach was«, erwiderte Ayale, »ich habe die Schwelle längst überschritten, an der ich sterben sollte. Inzwischen bin ich so alt, dass mir nichts mehr geschehen kann. Die Schatten haben mich vergessen und nun wollen sie mich nicht mehr haben. Ein ausgetrocknetes, altes Weib wie mich. Kannst du dir vorstellen, dass ich einmal jung war und als schön galt? Nein? Wahrscheinlich nicht. Das ist auch nicht wichtig. Ich wollte immer klug sein, sog das Wissen begierig in mich auf, um im Alter Weisheit zu erlangen. Aber ich bin weit davon entfernt, eines

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