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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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ist?«
    »Vergiss sie, die ist so verrückt wie unsere älteste Schwester.«
    Kaum angekommen, hatte sich Elischa Feindinnen gemacht. Das hatte sie nicht gewollt. Aber es ließ sich nicht mehr ändern. Sie hatte geahnt, dass sie sich durchsetzen musste und die Rückkehr nach so langer Zeit nicht reibungslos gelingen konnte.
    Elischa lehnte sich zurück und schloss die Augen. Sie versuchte sich zu entspannen und auf ihre Begegnung mit der heiligen Mutter vorzubereiten.
    »Endlich zu Hause«, versuchte sie sich Mut zu machen , »wie sehr habe ich doch ein heißes Bad vermisst. Verdammt … dich vermisse ich noch viel mehr, Madhrab.«
    Plötzlich packte sie der Schmerz mit voller Wucht. Sie krümmte sich Schutz suchend zusammen. Ihr ganzer Körper zitterte. Sie begann bitterlich zu schluchzen und wurde immer wieder von Weinkrämpfen durchgeschüttelt, während sie eisern versuchte ihre Beherrschung zurückzugewinnen. Es nutzte nichts. Ihre Nerven spielten verrückt und der Druck auf ihrem Herzen schmerzte tief. Sie musste die Trauer zulassen, sich all ihren Ängsten stellen, um sie hoffentlich überstehen zu können.
    »Womit habe ich das verdient?«, fragte sie sich, wohl wissend, dass sie keine Antwort darauf erhalten würde.
    »Ich habe mir etwas vorgemacht und dachte, ich wäre stark genug. O nein, Elischa. Du bist schwach. So schwach. Bei den Kojos. Das überlebe ich nicht.«
    Elischa brauchte lange, bis sie sich wieder gefangen und ihre Tränen getrocknet hatte. Das Wasser war längst kalt, ihre Haut aufgeweicht, Finger und Zehen schrumpelig, als sie endlich aus dem Zuber stieg.
    »Wenigstens fühle ich mich sauber und bin den Gestank los. Das ist ein Anfang, wenn auch kein guter«, dachte die Orna.
    Sie hatte gerade die zurechtgelegte frische Kleidung angelegt, als es leise und zaghaft an der Tür klopfte.
    »Wer ist da?«, rief Elischa in der Hoffnung, weder Milana noch Laraya seien zurückgekehrt, um sie abzuholen und zur heiligen Mutter zu bringen.
    Die Orna erhielt keine Antwort. Nach einer Weile klopfte es noch einmal. Elischa nahm all ihren Mut zusammen, ging zur Tür und öffnete. Sie traute ihren Augen kaum, als sie schließlich erkannte, wer vor ihrer Kammer wartete.
    »Ayale!«, rief sie aus und legte sich ungläubig und erschrocken die Hand auf den Mund, als ob sie einen verbotenen Namen ausgesprochen oder den Geist einer Toten gesehen hätte.
    Elischa biss sich auf die Zunge. Ayale musste steinalt sein.Sie war bereits sehr alt gewesen, als Elischa das Haus der hohen Mutter verlassen hatte. Die wässrig blauen Augen der Orna waren unverändert klar und sie musterten Elischa eindringlich.
    »Bittest du deine alte Ordensschwester nun herein oder lässt du mich so lange im Flur stehen, damit ich mir einen Zug hole, mich erkälte und an bösem Husten sterben muss?«, fragte Ayale.
    Ihre Stimme passte zu ihrem Alter. Sie war nicht mehr so kraftvoll und warm, dafür jedoch rau und krächzend. Ayale stützte sich vornübergebeugt auf einen knorrigen Stab. Ihre Finger waren geschwollen und verkrümmt, geradeso wie ihr Rücken und ihre Beine. Ihr Gesicht wies zahlreiche Flecken, tiefe Runzeln und Furchen auf. Das Haar war dünn und weiß geworden. Elischa hatte Ayale wesentlich größer in Erinnerung. Vielleicht täuschte sie sich und es lag an der krummen Haltung der uralten Frau. Wahrscheinlich jedoch war sie im hohen Alter geschrumpft. Sicher hatte sie auch deutlich an Gewicht verloren. Sie wirkte abgemagert, Gesicht und Brustkorb eingefallen.
    »Wie ist das möglich?«, fragte Elischa, die sich immer noch die Augen rieb. »Du lebst?«
    »Nicht mehr lange, wenn du mich weiter hier draußen stehen lässt. Biete mir wenigstens einen Stuhl an, Kind. Ich stehe nicht mehr sehr gut auf meinen Beinen.«
    »Verzeih mir, aber ich bin … überrascht und verwirrt. Komm bitte herein und setz dich auf mein Lager.«
    Elischa bot der Ordensschwester ihren Arm an, doch Ayale lehnte ihre Hilfe mit einer Handbewegung ab.
    »Ich mag zwar alt und gebrechlich sein, Elischa. Meinen Weg kann ich aber immer noch alleine gehen. Nicht mehr so schnell wie früher. Eher langsam und kriechend wie eine Schnecke. Aber ich erreiche mein Ziel aus eigener Kraft. Dasist mehr, als die meisten unserer Schwestern von sich behaupten können, nicht wahr?«
    »Sicher …«, erwiderte Elischa verdutzt.
    Die jüngere Frau trat einen Schritt zur Seite und Ayale schob sich quälend langsam auf ihren Stab gestützt an ihr vorbei. Sie brauchte für

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