Kryson 04 - Das verlorene Volk
kraftfordernden Aufstieg zu ersparen. Aber ihm fiel nichts ein, was seine magischen Kräfte nicht bis an dieGrenzen gefordert und verbraucht hätte. Ihm blieb am Ende nur der gewöhnliche Weg eines Normalsterblichen.
»Schritt für Schritt. Zu Fuß«, ärgerte sich Tomal über seine vermeintlichen Schwächen.
Das Schwert in der Hand stapfte Tomal über den Strand unter die Palmen und bahnte sich mit der Schneide einen Weg durch das dichte Gestrüpp.
»Eine Schande, Iskrascheer auf diese Weise zu benutzen«, dachte Tomal bei sich.
Außer dem Schwert trug er nichts anderes bei sich, was sich dazu geeignet hätte, Äste, Lianen und Blätterwerk in einer gleichmäßigen Links-rechts-Bewegung zu zerschneiden. Die beiden Dolche, die er unter seinem weit geöffneten Wams trug, waren zu klein, und das Galwaas auf seinem Rücken mochte zwar tiefe Löcher in Hölzer reißen, die gewiss nicht breit genug waren, um sich dazwischen durchzuzwängen.
Tomal hackte sich den Weg frei. Anfangs ging er schwungvoll und dynamisch vor und kam gut voran. Doch mit der Zeit begannen seine Muskeln wie Feuer zu brennen. Seine körperlichen Kräfte ließen nach. Dabei hatte er den steilen Teil des Weges noch nicht einmal erreicht. Keuchend lehnte er sich an einen mit Flechten und Moosen bewachsenen Baumstamm und rang nach Atem. Die Luft kam ihm schwer vor, gerade so, als würde sie zähflüssig werden und sich weigern, seine Lunge ausreichend zu versorgen. Er entschloss sich, eine kurze Rast einzulegen, um sich neu zu orientieren und seinen Atem vorerst zu beruhigen. In Panik zu geraten half ihm nicht weiter.
»Ich dachte, mein Besuch auf Kartak wäre erwünscht. Wurde ich nicht von Euch eingeladen – wer immer Ihr auch seid –, von Winden und Boot an diesen Ort getragen? Ihr könntet mir die Wanderung bestimmt leichter machen, wenn Ihr nur wolltet!«, rief der Lesvaraq.
Der Klang seiner Stimme schreckte kunterbunte Vögel inden Baumwipfeln auf, die kreischend davonflatterten. Eine Antwort erhielt er zwar nicht, aber es schien ihm, als hätte sich plötzlich vor seinen Augen ein uralter, zugewachsener Pfad aufgetan. Staunend blickte er sich um und versuchte mit zusammengekniffenen Augen durch das Dickicht etwas zu erkennen. Weit war er noch nicht gekommen. Aber er war sich sicher, dass er sich auf dem richtigen Weg befand, auch wenn sich sein Eindruck vorerst nicht bestätigen mochte.
Der Wuchs von Pflanzen und Bäumen war üppig. Den Boden zierten kniehohe, großblättrige Schattenpflanzen mit dicken, behaarten Stielen, die wenig Licht benötigten und nur selten Blütenknospen schoben. Doch ihre blutroten Blüten waren schön und ihr Duft schwer und betörend. Ihre Blätter waren dunkelgrün, lediglich an den wenigen Stellen, an denen die Blätterkrone des Dschungels ein paar Sonnenstrahlen durchließ, waren sie höher gewachsen und zeigten eine hellere Farbtönung in beinahe zartem Grün. Mächtige, mit Haarmoosen, Kletterpflanzen und Lianen umschlungene Äste und umgestürzte Baumriesen kreuzten seinen Weg.
Er musste sich oft unter ihren Ausläufern ducken und darauf achten, dass keine böse Überraschung von oben auf ihn herabstürzte.
Tomal war gewarnt. Auf einer kleinen Lichtung ganz in der Nähe hatte er ein überaus großes Spinnennetz entdeckt. Die Besitzerin des Netzes lauerte, versteckt unter Blättern, am Rand ihres Netzes auf Beute. Ein Glück, dass Tomal ihren auffällig schillernd blau und gelb gefärbten Körper rechtzeitig entdeckt hatte. Er hatte wohl gehört, dass es größere und gefährliche Exemplare gab, aber diese achtbeinige Kreatur überraschte ihn doch.
Die Spinne besaß einen fetten, behaarten Leib, der in der Größe etwa seinem eigenen Kopf entsprach. Rechnete er ihre Beine hinzu, war sie für seinen Geschmack wesentlich zu großgeraten und gewiss in der Lage, einem erwachsenen Krieger, der sich in ihrem gewaltigen Netz verfing, mit ihren mächtigen Beißzangen gefährlich zu werden, von ihrem Gift ganz zu schweigen.
Tomal würde sich besser in Acht nehmen müssen. Das Licht im Dickicht des Urwalds war diffus. Zwar waren die Fäden des Spinnennetzes dick, aber, bei der überwiegend unter dem Blätterdach vorherrschenden Schattendämmerung in Grün, nur schwer auszumachen. Er nahm an, dass es mehr Spinnen dieser und anderer Art geben musste, die sich im Dschungel an geeigneten Stellen verteilt hatten. Der Lesvaraq gewann zunehmend den Eindruck, dass Kartak eine besondere Insel im Meer war, auf der sich
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