Kryson 05 - Das Buch der Macht
euch? Sind alle Hexen der Seen wie du?«
»O nein«, antwortete Omira, »jede von uns ist auf ihre Art einzigartig. Wir unterscheiden uns in unserem Aussehen und in unseren Fähigkeiten. Doch wir alle haben eines gemeinsam: Wir sind dem Wasser und der Magie der Seen verbunden. Das Wasser ist unser Leben und unser Gleichgewicht. Wir sorgen dafür, dass es so bleibt.«
»Du hast mir Informationen über meinen Bruder versprochen, wenn ich mit dir schwimme«, wechselte Saijkal das Thema, den die Behausung der Hexe nicht interessierte.
»Versprochen habe ich dir nichts. Ich sagte nur vielleicht«, lächelte die Hexe, »aber zuerst will ich dir mein Heim zeigen.«
»Tut mir leid, deswegen bin ich nicht mit dir gekommen. Warum hast du mich hierhergebracht?«, fragte Saijkal, der langsam seine Geduld verlor.
»Du gefällst mir, weißer Mann«, sagte die Hexe, »ich fühle mich manchmal sehr einsam in meinem See. Da sah ich dich am Ufer stehen. Es kam mir vor, als würdest nach mir suchen und rufen. Ich wusste, du bist derjenige, auf den ich lange gewartet habe. Wie hätte ich einen Mann wie dich dort einfach stehen lassen können?«
»Was willst du von mir?«, zeigte sich Saijkal hartnäckig.
»Liebe mich!«, verlangte die Hexe und zerrte Saijkal inRichtung ihres Lagers aus in der Strömung sanft wogenden Seealgen und Gräsern.
»Ich teile das Lager nicht mit einer Hexe, die einem Fisch oder einer Schlange gleicht«, wehrte sich der weiße Schäfer und lehnte ihren Vorstoß barsch ab.
»Ich gefalle dir nicht?«, zeigte sich die Hexe bitter enttäuscht.
Saijkal biss sich auf die Unterlippe, er musste seine Worte mit mehr Bedacht wählen. Omira hatte ihm gegenüber einen entscheidenden Vorteil. Sie war hier zu Hause und kannte sich in ihrem See bestens aus. Für Saijkal war die Umgebung fremd. Selbst die Magie fühlte sich anders und eigenartig gefährlich an. Der weiße Schäfer wollte die Hexe nicht beleidigen, indem er ihr Ansinnen grob ablehnte. Aber die Vorstellung, diese Kreatur zu lieben, war ihm zuwider.
»Du bist ein faszinierendes und sehr mächtiges Wesen«, schmeichelte Saijkal, »aber du musst mir verzeihen. Ich kann dich nicht lieben.«
»Ich verändere mein Äußeres, wenn du das möchtest«, schlug Omira vor, »ganz wie es dir gefällt. Lass mich nur in deinen Gedanken lesen.«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen und seinen Kopf bis in die hintersten Windungen durchforstet, schwebte eine wunderschöne Frau vor dem weißen Schäfer im Wasser. Sie besaß lange, grün schimmernde Haare und eine glatte, weiße Haut. Ihre Brüste waren voll und schwer, ihr Körper von Kopf bis Fuß wohlgeformt. Ihre Nase keck und die Lippen sinnlich. Sie sah den weißen Schäfer aus großen, unschuldigen Augen verführerisch an. Saijkal hatte die Frau nie zuvor gesehen und doch kam sie ihm eigenartig bekannt vor. War sie die Frau aus seinen Träumen, die ihn über so viele Sonnenwenden in seinem beinahe ewigen Schlaf begleitet hatte?
»Du kannst mir nichts vormachen«, wandte sich Saijkal vonihr ab, »das ist nur eine Illusion, von der du denkst, sie könnte mir gefallen. Aber darum geht es mir nicht. Ich sehe hinter die Fassade, und was ich dort erblicke, ist nicht das, was ich mir wünsche. Ich werde nicht mit dir schlafen, gleichgültig welches Bild du mir vorspiegelst.«
Die Illusion verschwand und Omira verwandelte sich in das Wesen zurück, das er zuvor gesehen hatte. Die Hexe wirkte wütend.
»Du willst also, dass ich dir etwas über deinen Bruder erzähle?«, keifte sie in seinen Gedanken.
»Natürlich! Deshalb bin ich dir ins Wasser gefolgt.«
»Eine Hexe hält ihn in ihrem See gefangen. Er störte das Gleichgewicht auf Fee empfindlich und kämpfte gegen meine Schwester. Sie gewann und verwandelte ihn in einen Fisch.«
»Das weiß ich bereits. Wo kann ich Saijrae finden und wie kann ich ihn befreien?«
»Zahle zuerst den Preis, dann werde ich dir dabei helfen.«
»Welchen Preis?«, wunderte sich Saijkal.
»Mich zu lieben«, beharrte die Hexe auf ihrer ursprünglichen Absicht.
»Das ist unmöglich«, lehnte der weiße Schäfer eneut ab, »ich werde ihn auch alleine finden, und wenn ich jeden dieser verdammten Seen dafür durchschwimmen und leeren muss.«
»Du wirst ihn nicht ohne meine Hilfe oder ohne die meiner Schwestern finden. Doch selbst wenn du ihn eines Nachts rein zufällig entdecken solltest, wirst du ihn weder zurückverwandeln noch befreien können. Das ist unmöglich. Dafür reicht
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