Kryson 06 - Tag und Nacht
eintreffen, an dem Jafdabh seine Versprechen nicht mehr halten konnte und all die auf Sand und Luft gebauten Träume wie Seifenblasen zerplatzen mussten. Der Magier sah eine Katastrophe heraufziehen. Hungersnöte, Aufstände und Krieg mussten die logische Folge im Kampf um die noch verbleibenden und täglich immer knapper werdenden Schätze sein. Das Gleichgewicht würde zurückschlagen und die Natur würde sich wieder nehmen, was ihr mit Gewalt entrissen wurde. Eine andere Alternative gab es nicht. Würde Jafdabh eine solche Krise überstehen oder schaufelte er sich sein eigenes Grab? Gelang es ihm allerdings tatsächlich seine Finger nach Fee auszustrecken, hatte er womöglich gewonnen.
»In der Tat …«
, dachte der Magier,
»Jafdabh ist ein verdammt kluger Kopf. Ich habe ihn unterschätzt.«
Sapius schüttelte nachdenklich den Kopf und strich sich mit den Fingern über seine Narben im Gesicht. Er hatte Angst und fühlte sich mitschuldig an alledem. Er hätte auf den ihm anvertrauten Schatz besser aufpassen müssen. Was sollte er jetzt noch dagegen unternehmen? War es nicht schon zu spät für eine Umkehr? Wie hatte ihm die Veränderung entgehen können, die doch so überdeutlich sichtbar war?
In den Klanlanden war etwas geschehen, das der Magier nicht begreifen konnte. Natürlich hegte er den Verdacht, dass die Veränderungen mit dem Buch zusammenhingen, das ihm geraubt worden war. Wie sollte es auch anders sein. Aber er brauchte Gewissheit, die er nur bei Jafdabh finden konnte. Der Magier musste herausfinden, was und wie Jafdabh dies angestellt hatte. Was auch immer der Todeshändler getan hatte, zeugte von Voraussicht, auch wenn es im Ergebnis vielleicht nicht ganz seine Erwartungen erfüllen mochte. Sapius musste anerkennen, dass Jafdabh einen Weg gefunden hatte, den Krieg mit den Rachuren zu beenden und eine Bedrohung durch die Todsänger abzuwenden und selbst daraus noch Gewinn zu schlagen. Die Idee, Nalkaar und die Todsänger in harmlose Musikanten und Gaukler zu verwandeln, die nur zum Vergnügen der Klan aufspielten, war genial. Und ganz nebenbei füllten sie Jafdabhs Kasse.
Das alles wäre tief beeindruckend, wenn die Folgen der Unersättlichkeit nicht so verheerend wären. Aber vielleicht waren die Vorstellungen des Todeshändlers tatsächlich von einem guten Willen und nicht bloß von der Gier nach Anunzen getrieben. Womöglich besaß Jafdabh ein gutes Herz? Sapius musste herausfinden, was dahintersteckte.
»Wo finde ich Jafdabh?«, wollte Sapius wissen.
»Für gewöhnlich in seinem Haus in Tut-El-Baya. Von dort aus tätigt er seine Geschäfte«, sagte der Klan, »aber Ihr werdet nicht ohne Weiteres hereingebeten werden. Nur seine engsten Vertrauten lässt Jafdabh zu sich. Das Haus wird streng bewacht. Wenn Ihr Glück habt, könnt Ihr ihn aber auf einer der Baustellen im Fördergebiet antreffen. Jeden Tag lässt er sich einmal bei uns sehen und kontrolliert die Fortschritte und Fördermengen.«
Sapius spürte plötzlich einen Finger, der in seinen Rücken stach, und wirbelte erschrocken herum. Er hatte niemanden kommen hören.
»Hoi, hoi, hoi … die Zerstörung Ells ist zum Teil auch Euer Werk, Sapius«, begrüßte Tarratar den Magier.
»Mein … was … Ihr?« Sapius war überrascht, den Narr zu sehen. »Das ist … wie habt Ihr uns gefunden? Keineswegs ist das mein Werk. Niemals. Wie kommt Ihr bloß darauf?«
Sapius war empört über diesen Vorwurf seiner Mitschuld, auch wenn er ihn insgeheim teilte. Er fühlte sich schuldig.
»Ihr enttäuscht mich, Sapius«, schüttelte Tarratar den Kopf, »und erweist Euch ein weiteres Mal als unwürdig. Natürlich ist das Euer Werk. Streitet die Verantwortung nicht ab, das gehört sich nicht. Ich habe Euch das Buch anvertraut. Ihr solltet es vor einem Missbrauch in Sicherheit bringen. Aber Ihr habt es verloren. Seht Euch doch nur an, was Ihr angerichtet habt!«
»Das war ich nicht. Ich habe das Buch nicht angerührt«, erwiderte Sapius.
»Sicher, das weiß ich doch. Aber derjenige, dem Ihr das Buch überlassen habt, machte sich diese Welt auf eine Weise untertan, die alles zerstören wird.«
»Ich wurde ausgeraubt und frage mich, wie die Räuber gelernt haben, das Buch für sich zu nutzen. Ich dachte, das wäre nur mit einer magischen Begabung möglich«, meinte Sapius.
»Stellt Euch doch nicht dümmer, als Ihr seid«, tadelte Tarratar den Magier, »alleine der Wille reicht aus. Es gibt Mittel und Wege, sich die Magie zu kaufen, die für das Buch
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