Kryson 06 - Tag und Nacht
nachzumachen. Sie brauchten drei Sprünge, bis sie schließlich bei ihm waren. Das kostete sie Kraft und war ermüdend, was Tomal gelegen kam. Sowohl Kallya als auch Malidor würden während ihrer nächsten Rast erschöpft in einen tiefen Schlaf fallen.
*
In den heiligen Hallen war es so dunkel und kalt, wie Sapius sie in Erinnerung behalten hatte. Seit seinem letzten Besuch hatte sich nichts verändert. Und doch spürte er beim Betreten der Haupthalle sofort die Präsenz der magischen Brüder. Sie beobachteten ihn. Er konnte ihre Blicke spüren. Und sie waren nicht allein. In der Halle fand eine Versammlung statt. Stimmen flüsterten und drückten ihre Verwunderung über den ungebetenen Gast aus. Die Saijkalsan hatten sich in den heiligen Hallen der Saijkalrae zusammengefunden. Aber Sapius spürte, sie waren aus irgendeinem Grund verängstigt und hatten sich in einer Ecke der Halle dicht zusammengedrängt.
»Wie eine Herde Waldschweine, die sich vor einem Baumwolf fürchten«
, dachte Sapius.
»Welch große Ehre!«, hörte er eine helle Knabenstimme rufen. »Wir haben Euch bereits erwartet, Sapius. Der Meister der Drachen, seines Zeichens Yasek und Magier, kommt zu uns zurück. Wollt Ihr Euch uns wieder anschließen?«
Die Stimme kam von rechts und gehörte ohne jeden Zweifel dem dunklen Hirten.
»Sapius! Willkommen«, sagte eine andere Stimme von der linken Seite, die Sapius eindeutig mit dem weißen Schäfer verband, »wir haben Euch lange gesucht. Aber Ihr wart geschickt und seid uns immer wieder entkommen. Kein Saijkalsan wendet sich einfach von uns ab und bricht den Eid der Treue, den er uns einst geschworen hat.«
Die magischen Brüder standen weit voneinander entfernt und sie waren in der Dunkelheit der Halle nur schwer auszumachen. Sie waren auf seinen Besuch vorbereitet. Das erleichterte Sapius’ Lage nicht. Bei einem Angriff auf die Saijkalrae würde er unmöglich beide Brüder mit einem Schlag treffen. Sapius musste sich mit dieser Situation abfinden und auf alle Seiten achten. So eingeschüchtert die Saijkalsan auch wirken mochten, sie würden nicht zögern, die magischen Brüder zu verteidigen. Der Magier hatte es mit einer Übermacht zu tun.
»Ihr habt mich zu den Gescheiterten in die Finsternis gebracht«, erwiderte Sapius, »ich war tot. Doch habe ich den Tod überwunden. Der Eid gilt schon lange nicht mehr. Ich bin frei und in der Lage, die Magie ohne Eure Beschränkungen und Regeln zu nutzen.«
»Das wissen wir wohl«, sagte Saijkal, »und wir halten es für falsch und gefährlich. Aber das ist Euch nicht neu. Es gibt einen guten Grund, warum wir die Macht in uns bündeln und den Zugang einschränken. Ihr kennt den Grund selbst nur zu gut und erfahrt ihn jeden Tag wieder aufs Neue. Euer Kampf ist aussichtslos. Ihr seid zu weit gegangen. Die Magie ist nicht beherrschbar und sie führt am Ende nur zur Zerstörung. Der Lesvaraq hätte niemals leben und erstarken dürfen. Ihr habt einen großen Fehler begangen.«
»Ja, ich habe Fehler gemacht«, gab Sapius zu, »aber ich habe auch aus ihnen gelernt. Ihr jedoch habt den schwersten Fehler begangen.«
»Von was spricht unser Diener?«, fragte der dunkle Hirte.
»Ich bin schon lange nicht mehr Euer Diener, Saijrae«, fauchte Sapius.
»Er meint die Beseelung der Entfesselten, Bruder. Das ist doch der Grund, warum Ihr Euch in die heiligen Hallen gewagt habt, nicht wahr?«, sagte Saijkal. »Ihr habt sie also gesehen, unsere Kinderchen.«
»Das ist wohl kaum der richtige Ausdruck für diesen Frevel wider die Natur«, entgegnete Sapius, »sie sind tot und werden verrotten.«
»Aber sie wandeln doch über Ell und erfreuen sich neuen Lebens«, lachte der dunkle Hirte, »wie können sie da tot sein?«
»Ihr benutzt sie für den Kampf um das Buch der Macht«, sagte Sapius, »danach sind sie nutzlos für Euch und werden sterben. Ihre verlorenen Seelen verschwinden im Nichts. O ja, ich kenne das Ritual der Entfesselung und Beseelung und seine furchtbaren Folgen. Ihr habt eine Horde untoter Wiedergänger auf Ell losgelassen, die eine schreckliche Seuche unter die Lebenden tragen. Ist Euch das Buch der Macht wirklich so viel wert? Was habt Ihr davon, wenn die Welt am Ende zerstört ist und den Toten gehört?«
»Das Buch gehört uns«, rief der dunkle Hirte, »es ist Ulljans Erbe und es gibt keinen Zweifel daran, dass wir, Saijkal und ich, seine einzigen wahren Erben sind.«
Sapius kratzte sich nachdenklich am Kopf und nickte.
»In diesem Punkt
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