Schneewittchen-Party
1
D ie Kindergesellschaft bei den Drakes sollte am Abend sein. Ariadne Oliver begleitete ihre Freundin Judith Butler, bei der sie einige Tage zu Besuch war, um bei den Vorbereitungen zu helfen.
Im Augenblick herrschte heilloses Durcheinander. Frauen liefen energisch hin und her, trugen Stühle, kleine Tische und Blumenvasen von einem Zimmer ins andere und verteilten große Mengen von Kürbissen über das ganze Haus.
Es war der Tag vor Allerheiligen, der in England mit Maskeraden und lustigen Umzügen begangen wird, und die geladenen Gäste dieses Abends waren zwischen zehn und siebzehn Jahre alt.
Mrs Oliver hielt sich geschickt vom Zentrum der fieberhaften Aktivität fern. An die Wand gelehnt, hielt sie einen großen gelben Kürbis in die Höhe, betrachtete ihn kritisch und sagte: »Zum letzten Mal habe ich welche in Amerika gesehen, letztes Jahr, und da gleich Hunderte. Das ganze Haus war voll.«
»Oh – entschuldige«, sagte Mrs Butler, die über Mrs Olivers Füße gestolpert war.
Mrs Oliver drückte sich enger an die Wand.
»Meine Schuld«, sagte sie. »Ich stehe hier rum und bin im Weg. Aber die vielen Kürbisse waren wirklich eindrucksvoll. Man sah sie überall, in den Geschäften, in den Häusern, ausgehöhlt und von innen mit Kerzen beleuchtet. Aber das war nicht am Tag vor Allerheiligen, sondern beim Erntedankfest und das ist später, erst in der dritten Novemberwoche.«
Die meisten der umhereilenden Frauen fielen früher oder später über Mrs Olivers Füße, hörten ihr aber nicht zu. Sie waren alle viel zu beschäftigt.
Es waren in der Hauptsache Mütter und eine oder zwei tüchtige alte Jungfern. Ein paar größere Jungen kletterten auf Leitern und Stühle und dekorierten Wände und Schränke mit Kürbissen und Lampions. Mädchen zwischen elf und fünfzehn standen in Gruppen herum und kicherten.
Mrs Oliver plauderte weiter und ließ sich auf einem Sofaarm nieder, um sich gleich wieder zerknirscht zu erheben.
»Ich bin wirklich keine große Hilfe. Ich sitze hier herum und rede dummes Zeug über Kürbisse« – und schone meine Füße, dachte sie mit leichten Gewissensbissen, aber ohne allzu große Schuldgefühle.
»So, was kann ich jetzt tun?«, fragte sie, und dann: »Was für prächtige Äpfel!«
Jemand hatte gerade eine große Schüssel mit Äpfeln ins Zimmer gebracht. Mrs Oliver hatte eine Schwäche für Äpfel.
»Sie sind nicht besonders gut«, sagte Rowena Drake, die Gastgeberin, eine gut aussehende Frau mittleren Alters. »Aber sie sehen hübsch und festlich aus. Sie sind fürs Apfelschnappen gedacht und ziemlich weich, damit die Kinder beim Schnappen leichter reinbeißen können. Trag sie doch bitte in die Bibliothek, Beatrice. Beim Apfelschnappen gibt’s immer eine große Überschwemmung, aber bei dem Teppich in der Bibliothek kommt es nicht drauf an. Oh, danke, Joyce.«
Joyce, eine kräftige Dreizehnjährige, hatte die Schüssel ergriffen. Zwei Äpfel fielen herunter und blieben, wie von einem Zauberstab berührt, genau vor Mrs Olivers Füßen liegen.
»Sie mögen Äpfel, nicht wahr?«, sagte Joyce. »Ich hab davon gelesen, oder vielleicht hab ich’s auch im Fernsehen gehört. Sie sind doch die Frau, die Kriminalromane schreibt, nicht?«
»Ja«, sagte Mrs Oliver.
»Eigentlich müssten Sie was organisieren heute Abend, irgendwas mit Mord. Zum Beispiel einer wird ermordet, und alle müssen den Täter finden.«
»Nein, danke«, sagte Mrs Oliver, »Nie wieder.«
»Was heißt das, nie wieder?«
»Na ja, ich habe so was mal gemacht, und es war kein großer Erfolg«, sagte Mrs Oliver.
»Aber Sie haben doch massenhaft Bücher geschrieben«, sagte Joyce. »Sie kriegen eine Masse Geld dafür.«
»Gewiss«, sagte Mrs Oliver und dachte an die Einkommensteuer.
»Und Ihr Detektiv ist ein Finne.«
Diese Tatsache leugnete Mrs Oliver nicht. Ein kleiner, phlegmatisch wirkender Junge, der nach Mrs Olivers Dafürhalten noch nicht zehn Jahre alt war, sagte streng: »Warum ein Finne?«
»Das habe ich mich oft schon selbst gefragt.«
Mrs Hargreave, die Frau des Organisten, kam keuchend mit einem großen grünen Plastikeimer ins Zimmer.
»Wie wäre es damit fürs Apfelschnappen?«, fragte sie. »Ich dachte, das sieht ganz lustig aus.«
Miss Lee, die Arzthelferin, sagte: »Ein Metalleimer ist besser. Der kippt nicht so leicht um. Wo soll es denn stattfinden, Mrs Drake?«
»Am besten in der Bibliothek. Der Teppich dort ist alt. Es läuft immer ziemlich viel Wasser über.«
»Gut,
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