Kuehler Grund
hat Wilford herausgefunden, was in der Villa vor sich ging. Diese Orgien und so weiter. Er hat ihnen gehörig die Meinung gesagt, dass so etwas gottlos und lasterhaft wäre. Da hat Vernon ihn gefeuert.«
»War das, bevor Ihre Enkelin auf die bewusste Party ging?«
»Ja, davor«, sagte Harry. Er musterte Cooper. »Wenn Sie darüber Bescheid wissen, mein Junge, werden Sie verstehen, dass ich mit Wilford einer Meinung war, was die Vernons anging. Hat Helen es Ihnen erzählt?«
»Ja.«
»Helen mag Sie. Werdet ihr euch wieder sehen, wenn diese Sache vorbei ist? Ihr würdet gut zueinander passen.«
Fry trat von einem Fuß auf den anderen und gab Cooper ein Signal mit ihren Augen. Geh nicht darauf ein, sagte es. Ermutige ihn nicht, vom Thema abzuschweifen. Halte dich an die Anweisungen.
»Bleiben Sie bei Laura Vernon, Mr. Dickinson«, sagte sie.
»Aye. Wilford hat auch dem Mädchen tüchtig den Marsch geblasen. Er hat ihr alles Mögliche an den Kopf geworfen. Aber die war hart im Nehmen. Das hat sie nur noch mehr gereizt. Man würde es nicht für möglich halten, dass ein junges Mädchen solche Ausdrücke über die Lippen bringt. Sie hat sich über Wilford lustig gemacht. Er war eine Herausforderung für sie. Sie hat ihm gesagt, dass er von allen Männern, die jemals in der Villa waren, der einzige wäre, mit dem sie nicht geschlafen hätte. Ist das zu fassen? Ein fünfzehnjähriges Mädchen?« Sein Blick wurde hart. »Aber sie hat es nicht anders gelernt.«
Er paffte heftig an seiner Pfeife. Der Rauch stieg in einer dicken Wolke hoch und sammelte sich unter der gelben Zimmerdecke.
»Dann hat sie Wilford an jenem Samstag auf dem Baulk getroffen. Und sie hat ihn wieder verspottet, schlimmer als je zuvor. Sie hat sich ihm an den Hals geschmissen und sich halb ausgezogen, sie hat ihn verhöhnt, die kleine Hure. Und dann hat sie ihn angefasst …« Harry schluckte ein paar Mal, leise knirschend bewegte sich die Pfeife zwischen seinen Zähnen. »Wilford hatte diese Wutanfälle, wissen Sie. Die verdankte er einem Kriegserlebnis. Wussten Sie, dass er einen Kopfschuss hatte? Danach war er irgendwie angeknackst, und er kriegte hin und wieder diese Wutanfälle. Aber es war richtig. Wilford hat immer gewusst, was richtig ist.«
»Was richtig ist?«, kam es vorwurfsvoll von Gwen, die bis jetzt geschwiegen hatte.
»Das habe ich gesagt.«
»Aber er hat doch das Mädchen getötet. Er hat sie ermordet. Unten im Wald hat er sie totgeschlagen. Wie kannst du da sagen, dass das richtig war?«
Harry schwieg eine Zeit lang und starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit hinaus, als ob er die Berge sehen und den Gesang der Lerche und die Sprengungen im Steinbruch hören könnte. Vielleicht kostete er in seiner Phantasie noch einmal die Luft und die Erde, vielleicht schmeckte er den halb verblassten Erinnerungen an eine Welt unter Tage nach, in deren Enge und Dunkelheit man sich nur auf zwei Dinge verlassen konnte, auf die eigenen Hände und auf den Mann, der hinter einem stand.
»Es hat keinen Sinn. Du würdest es nie verstehen«, sagte er.
Gwen verzog das Gesicht und fing an zu weinen. Die Beamten waren verlegen.
»Was hat Wilford denn im Krieg erlebt?«, fragte Cooper.
»Hatte es etwas mit den französischen Torten zu tun?«, fragte Fry. Cooper sah sie verwundert an.
»Ja, ja, die kleinen Französinnen«, sagte Harry. »Hat Sam es Ihnen erzählt? Ich habe Gwen nie etwas davon gesagt. Ich habe ihr überhaupt nie viel über den Krieg erzählt. Frauen ängstigen sich immer gleich – die machen viel zu viel Wind um alles.«
Er nickte weise mit dem Kopf. »Wir hatten Glück, Sam und ich. Aber Wilford nicht. Er war immer ein bisschen zu anständig. Er fand, es gehörte sich nicht. Und dann gab es da diesen Jungen, auf den er große Stücke gehalten hat. Er hat ein bisschen auf ihn aufgepasst. Und eines Tages sind die beiden dann in einer Gasse einer kleinen Französin begegnet. Sie war noch nicht alt, und sie hat sich mächtig an sie rangemacht. Wilford wollte natürlich nichts davon wissen, aber der Junge war ganz aus dem Häuschen. Er ist mit ihr gegangen, in ein kleines dunkles Haus, und Wilford musste wohl oder übel mit, obwohl er die ganze Zeit versucht hat, es ihm auszureden. Der Junge hätte es sich fast noch anders überlegt, aber da hat die Kleine seine Hand gegriffen und in ihren Schlüpfer gesteckt. Tja …«
Harry paffte an seiner Pfeife und hing seinen Erinnerungen nach.
»In dem Haus hatten sich zwei deutsche
Weitere Kostenlose Bücher