Kuehler Grund
Soldaten versteckt, die nur darauf gewartet haben, dass ihnen die Kleine einen Tommy reinlockt. Sie haben den Jungen mit dem Bajonett aufgespießt.
Als Wilford durch die Tür kam, hingen dem Jungen schon die Gedärme raus. Wilford hat die Deutschen mit seiner Maschinenpistole erschossen. Dann hat er das Mädchen erschossen. Aber weil er dabei eine deutsche Kugel in den Kopf bekommen hatte, wurde er nach Hause geschickt. Danach ist er nie wieder ganz derselbe geworden. Er hat etwas davon zurückbehalten. Man wusste nie, wann er wieder einen Koller kriegen würde. Oben in der Villa hatte er wohl auch einen, wenn ich das richtig sehe. Kein Wunder, dass Vernon ihn entlassen hat. Und manchmal überkam es ihn auch bei den Tieren, obwohl er es kaum übers Herz bringen konnte, ihnen wehzutun.«
Fry sog scharf die Luft ein. Cooper suchte ihren Blick. Er erinnerte sich ebenfalls. Er sah eine Wolke dunkler Federn, die aus einer Tür stöberten, sich auf Wilford Cutts’ Schultern setzten und in seinem Haar verfingen. Er sah den Lieferwagenfahrer, der verstört aus der Hütte gekommen war. Und er erinnerte sich daran, wie das Huhn in Wilfords Händen gehangen hatte, die Flügel gebrochen, der Blick glasig vor Schmerz, nur darauf wartend, von seinem Leid erlöst zu werden.
Harry erzählte weiter, ohne ihren Blick zu bemerken. »Er konnte es nicht ertragen, wie die kleine Vernon ihn gequält hat. Dabei hat er sich an Frankreich erinnert und an den Jungen, dem die Gedärme aus dem Leib gequollen waren. Sie war genau wie dieses französische Flittchen. Durch und durch böse. Da hat er einen Stein aufgehoben …« Harrys Blick konzentrierte sich auf Fry, als ob er sie zum ersten Mal wahrnähme und sich fragte, was sie hier wollte. »Es war nur eine schwache Sekunde. Dafür kann man sechzig Jahre Freundschaft nicht einfach vergessen.«
»Freundschaft?«
»Aye. Freundschaft.«
Harry betrachtete Diane Fry. Bei ihrem ersten Besuch im Cottage hatte er sie völlig ignoriert, genau wie bei seiner Vernehmung auf dem Polizeirevier. Nun aber sah er sie mit anderen Augen an, als ob er spürte, dass sie sich verändert hatte. Neugierig ließ er den Blick von ihr zu Cooper wandern.
»Sie wussten es, nicht wahr, mein Junge?«
Cooper nickte. »Wegen der Schweine.«
Fry musterte ihn erstaunt. »Die Schweine im Komposthaufen? Ich bitte dich. Das war doch ein einziger Witz.«
»Nein. Weißt du noch, wie ich den Ärger in der Kneipe hatte? Einer von den Jugendlichen hat andauernd was von Schweinen gefaselt. Das ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wie die Musik, die du im Auto laufen hattest. Tanita Tikaram? Das sind so ungefähr die einzigen beiden Sachen, an die ich mich erinnere.«
Der alte Mann nickte Cooper zu, wie ein stolzer Vater, der seinen Sohn ermunterte.
»Was zum Teufel haben die Schweine damit zu tun?«, fragte Fry.
»Mir wurde langsam klar, was auf der Thorpe Farm tatsächlich vor sich ging. Die beiden anderen haben Wilford geholfen, die Tiere loszuwerden. Er wollte sie nicht zurücklassen. Er konnte sie nicht einfach im Stich lassen, dafür haben sie ihm zu viel bedeutet. Sie waren seine Familie, wenn du so willst. Außer den Schweinen ist im Laufe einer Woche jedes einzelne Tier verschwunden.«
»Ehrlich?«
»Erinnerst du dich noch an die Hennen, als wir das erste Mal auf der Farm waren? Er hat sie alle verkauft. Als ich ein paar Tage später wiederkam, war die Ziege auch weg. Da hätte ich es mir denken müssen. Aber ich bin nicht darauf gekommen. Erraten habe ich es erst wegen der Schweine. Schweine kann man nämlich nicht einfach so verkaufen. Man braucht eine Genehmigung vom Landwirtschaftsministerium, bevor sie den Hof verlassen dürfen.«
»Wegen der Schweinepest«, warf Harry ein.
»Aber dafür reichte die Zeit nicht. Es musste schnell gehen. Ihm blieb nur ein Ausweg, nämlich, sie schmerzlos zu töten und im Komposthaufen zu vergraben.«
»Dann sind alle Tiere weg? Die ganze Menagerie?«
»Alles. Die Farm ist wie ausgestorben. Von Wilfords ganzer Familie ist nur noch seine Hündin übrig.«
Harry nickte. »Wir haben sie versteckt, nachdem wir von dem Vogelbeobachter gehört hatten. Einmal hätten Sie sie fast gesehen, im Pub, aber sie war mit Jess draußen hinter dem Haus. Wilford brauchte Zeit, das ist alles. Und die habe ich ihm verschafft. Wir konnten nicht zulassen, dass er verhaftet wurde. Er wusste, was er tun musste, aber er brauchte mehr Zeit. Wir haben ihm dabei geholfen, Sam und ich. Wie Sie
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