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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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solchen Tag?«
    »Und ob«, sagte Gwen. »Er ist mit denen verabredet.«
     
    Eine halbe Stunde später war Harry aus dem Cottage geflohen. In der vertrauten Atmosphäre seiner Stammkneipe ließ er sich nicht lange bitten, seine Geschichte zu erzählen. Als er fertig war, würdigten nachdenkliche Ruhe, ein paar Schluck Bier und kameradschaftliches Schweigen den Ernst der Lage.
    »Mann, Harry. Die Polizei im Haus.«
    »Aye, die Polizei, Sam. Ein ganzer Haufen Polizisten.«
    »Die können einem sicher ganz schön auf die Nerven gehen.«
    »Versuchen tun sie es. Aber mich stören sie nicht.«
    Die Ecke im Drover zwischen Kamin und Fenster roch nach alten Männern und nassen Hunden. Die Sitze der hölzernen Wandbänke waren von den Männern über die Jahre blank poliert und abgewetzt worden, und ihre Stiefel fanden wie von selbst die vertrauten Dellen in dem dunklen Teppich.
    Sam Beeley hatte seinen Spazierstock an den Tisch gelehnt. Der Schäferhundkopf aus Elfenbein, der den Griff bildete, starrte verächtlich auf die Tischplatte aus gehämmertem Messing. Hin und wieder strich Sam mit der knochigen Hand über das Elfenbein, kraulte dem Schäferhund mit gelben Fingern die abgestoßenen Ohren oder klopfte mit seinem verwachsenen Daumennagel auf die Ecke der Messingplatte. Seine Knie knackten, wenn er sich bewegte, und obwohl seine Füße in weichen Wildlederschuhen steckten, schien er keine Stellung zu finden, die ihm keine Schmerzen bereitete. Er war der hagerste der drei Männer, doch das sah man kaum, da er trotz des warmen Abends mehrere Schichten Kleidung übereinander trug. Seine Hagerkeit zeigte sich am deutlichsten an den Händen und im Gesicht. Die Wangen waren eingesunken, und die trüben, blauen Augen lagen tief in den dunklen Höhlen.
    »Verdammte Bullen«, sagte er, die Stimme rau vom Zigarettenrauch. »Was meinst du, Wilford?«
    »Auf die können wir verzichten, Sam.«
    »Recht hast du.«
    »Aye.«
    Wilford Cutts hatte seine Mütze abgenommen. Die helle Kopfhaut mit dem weißen Haarkranz hob sich scharf von seiner gesunden Gesichtsfarbe ab. Er hatte einen struppigen weißen Schnurrbart und spärliche Koteletten, die früher einmal buschiger gewesen waren. Sein breiter, sehniger Hals ging in schwere Schultern über, die sich weich und kraftlos unter seinem Pullover abzeichneten. Seine Handflächen starrten vor Dreck, und die Finger, mit denen er das Bierglas umschloss, hatten schwarze Nägel. An seiner Cordhose mit den abgewetzten Knien, die er sich stramm in die Socken gestopft hatte, hingen dunkle Fasern. Die Füße hatte er unter die Bank geschoben, damit der Wirt die festgeklebte Erde an den Sohlen seiner Schnürstiefel nicht sehen konnte.
    »Dann ist es also ein Mordfall, Harry? Wissen sie schon, was mit dem Mädchen passiert ist?«
    »Haben sie nicht gesagt, Wilford.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Verdammte Bullen.«
    Harry behielt seine Mütze auf. Natürlich war er der Held des Tages und stand im Mittelpunkt des Interesses, aber das war noch lange kein Grund, aus dem Häuschen zu geraten. Er hatte für den Besuch im Pub ein frisches Hemd angezogen und sich einen Schlips mit einem dezenten Paisley-Muster umgebunden. Die Füße hielt er weit von sich in den Raum gestreckt, sodass sich das Licht der Wandlampen in den gewienerten Kappen seiner Stiefel spiegelte.
    Ab und zu grüßte ein anderer Gast herüber, was Harry mit einem Kopfnicken zur Kenntnis nahm, nicht unhöflich, aber reserviert. Finster musterte er eine laut lachende Gruppe Jugendlicher, die er nicht kannte. Sie standen am anderen Ende des Pubs und versuchten einander an Lautstärke zu übertreffen, und ab und zu grölten sie ein Lied.
    Nach einer stillschweigenden Übereinkunft saß Sam dem Kamin am nächsten, obwohl es Sommer war und kein Feuer brannte. Wilford hatte den entferntesten Platz, mit dem Rücken zur Tür, im Schatten der Nische verborgen. Auf dem Tisch standen zwei große Gläser Marston’s Bitter und ein kleines Glas Stout, daneben ein Haufen zerschrammter Dominosteine, die genauso dalagen, wie sie aus der Schachtel gefallen waren. Zusammen mit dem Bier hatte auch eine Tüte Bacon-Chips den Weg zum Tisch gefunden. Wilford steckte sie ein.
    »Und wie kommt die Familie damit klar?«, fragte Sam. »Wahrscheinlich ein ziemlicher Schock für die Frauen, was?«
    Harry zuckte die Achseln. »Mein Herr Schwiegersohn ist das größte Waschweib von allen«, sagte er. »Er ist fix und fertig. Hat Angst um seine kostbare Stelle bei

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