Kuehler Grund
Mr. Dickinson«, sagte Tailby.
»Dann schicken Sie mir nächstes Mal lieber den Jungen vorbei.«
»Ich fürchte, Sie werden sich mit DI Hitchens und mir begnügen müssen. Wir wollen Sie nicht unnötig stören, aber wir erwarten, dass Sie uns bei unseren Ermittlungen nach besten Kräften unterstützen, auch wenn es länger dauern sollte. Haben Sie uns fürs Erste wirklich nichts mehr zu sagen, Mr. Dickinson?«
»O doch«, sagte Harry.
»Und das wäre?«
»Hauen Sie ab.«
6
Die Kriminalbeamten waren kaum gegangen, als sich das kleine Cottage erneut mit Menschen füllte. Helen, die in der Tür zur Küche stand, sah zu, wie ihre Mutter und ihr Vater ins Esszimmer liefen und sich aufgeregt um ihre Großeltern scharten. Sie sprachen mit ihnen wie mit ungezogenen Kindern, die eine Strafpredigt und Trost zugleich verdient hatten.
»Du lieber Himmel, ihr zwei. Was ist denn passiert? Das ganze Haus voller Polizei. Was hast du bloß angestellt, Harry?«
Zu einem kurzärmeligen Baumwollhemd mit einem etwas gewagten blaugrünen Muster trug Andrew Wilner noch die dunkelgraue Hose des Anzugs, den er immer ins Büro anzog. Er roch schwach nach Seife und Whisky. Helen wusste, dass ihr Vater bereits geduscht hatte, als er von der Arbeit nach Hause gekommen war, und sich das erste Glas Glenmorangie gegönnt hatte, als ihn ihr Anruf erreichte. Den Sonnenschutz an seiner Brille hatte er nach oben geklappt, als er ins Haus getreten war. Jetzt standen die dunklen Gläser waagerecht von seiner Stirn ab wie übertriebene Augenbrauen.
Harry blickte ohne ein Lächeln der Begrüßung aus dem Sessel zu Andrew hoch.
»Helen hat euch bestimmt schon alles gesagt, was es zu sagen gibt.«
Margaret Milner fächelte sich mit einem Strohhut Luft zu. Sie war eine korpulente Frau, die stark unter der Hitze litt. Ihr bunt geblümtes Kleid schwang um ihre Knie, und wenn sie sich bewegte, verbreitete sich im Zimmer der penetrante Geruch von Deospray.
»Eine Leiche. Wie schrecklich. Ihr Ärmsten.«
»Was dein Dad gefunden hat, war ein Schuh«, sagte Gwen aufgeregt. »So einen Turnschuh. Sie haben gesagt, dass da auch ein totes Mädchen lag, aber dein Dad hat sie nicht gesehen. Du hast sie doch nicht gesehen, oder, Harry?«
»Es war Jess«, sagte Harry. »Jess hat den Schuh gefunden, nicht ich.«
»Und da war … War da wirklich Blut dran?«
»Scheint so.«
»Der junge Polizist hat ihn mitgenommen«, sagte Gwen.«
»Der junge Cooper.«
»Wer?«
»Der Sohn von Sergeant Cooper. Der Polizist. Du erinnerst dich doch sicher noch an die Geschichte?«
»Ach, jetzt weiß ich wieder.« Margaret wandte sich ihrer Tochter zu. »Warst du nicht in der Schule mit ihm befreundet, Helen? Jetzt erinnere ich mich. Du mochtest ihn, nicht wahr?«
Helen war verlegen. Am liebsten wäre sie in die Küche geflüchtet, um schnell noch eine Kanne Tee zu kochen. Sie liebte ihre Eltern und ihre Großeltern, aber mit allen vieren in einem Raum fühlte sie sich immer unbehaglich. Sie kam gut mit jedem einzelnen zurecht, aber wenn sie als Familie zusammen waren, schien kein Gespräch mehr möglich.
»Ja, Mum. Ben Cooper.«
»Ihr habt euch gut verstanden. Aber es ist nie etwas aus euch geworden. Ich fand das immer sehr schade.«
»Mum …«
»Ich weiß, ich weiß. Es geht mich nichts an.«
»Lass es gut sein, Mum. Ein andermal.«
»Man hat eine Leiche gefunden«, sagte Gwen klagend, fast flehend, als ob sie hoffte, jemand würde sie trösten oder ihr sagen, dass überhaupt nichts geschehen war.
»Und es ist wirklich die kleine Vernon?«, fragte Andrew ungeduldig. Helen hörte den leichten schottischen Akzent ihres Vaters heraus, das gerollte R, das immer durchklang, wenn er unter Stress stand. »Steht schon fest, dass es Laura Vernon ist?«
»Sie muss erst noch identifiziert werden, haben die zwei Beamte gesagt.« Gwen sah Harry herausfordernd an. Er sollte ruhig wissen, dass sie an der Tür gelauscht hatte, als er von der Polizei befragt worden war. Harry nahm keine Notiz davon. Er betastete seine Jackentasche, als ob er sich nichts sehnlicher wünschte, als sich mit seiner Pfeife in das Wohnzimmer zurückzuziehen, in seinen sicheren Hafen.
»Sie glauben schon, dass sie es ist«, sagte Harry.
»Das arme Ding«, sagte Margaret. »Sie war doch noch ein Kind. Wer würde so etwas tun, Helen?«
»Sie war fünfzehn. Möchtet ihr Tee?«
»Fünfzehn, eben. Noch ein Kind. Sie haben ihr alles gegeben, ihr Vater und ihre Mutter. Privatschule, eigenes Pferd. Was
Weitere Kostenlose Bücher