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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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passierte – kein Laut drang über seine Lippen. Er starrte nur auf die Tüten. So etwas durfte es nicht geben, es konnte nicht sein. Er sah es, doch sein Verstand wies es zurück, dann nahm er das Bild erneut auf und verwarf es wieder. Das durfte nicht sein …
    Er stieß mit dem Rücken gegen die Leiter, fasste mit beiden Händen hinter sich, klammerte sich so fest an die Metallsprossen, dass die scharfen Kanten in sein Fleisch schnitten. Konzentrierte sich auf den scharfen körperlichen Schmerz. Das hielt ihn davon ab, laut zu schreien.
    D. D. deutete an die Decke, dorthin, wo einer der Lichtschläuche hing.
    »Diese Haken haben nicht wir angebracht«, erklärte sie ruhig. »Sie waren schon da. Laternen waren nicht aufzufinden, aber ich nehme an …«
    »Ja«, warf Bobby heiser ein. »Ja.«
    »Und der Stuhl natürlich.«
    »Ja, ja. Und der verdammte Stuhl.«
    »Es ist eine nasse Mumifizierung«, sagte D. D. mit bebender Stimme. »Christie hat es so genannt. Der Täter hat die Leichen wie Bündel zusammengeschnürt, jede in einen Müllsack gesteckt, den er oben verschlossen hat. Wenn die Verwesung einsetzt … na ja, die Flüssigkeiten konnten nicht abfließen. Man kann sagen, die Leichen sind im eigenen Saft eingelegt.«
    »Hurensohn.«
    »Ich hasse meinen Job, Bobby. O Gott, ich wollte nie im Leben so etwas sehen.«
    D. D. presste die Hand auf den Mund. Einen Augenblick lang glaubte Bobby, sie würde zusammenbrechen, aber sie fing sich wieder. Dennoch wandte sie sich von den Metallfächern ab. Selbst für einen altgedienten Cop war manches zu viel. Bobby fiel es schwer, den Griff um die Leitersprossen zu lockern.
    »Wir sollten hinaufgehen«, schlug D. D. vor. »Christie wartet. Sie muss die Leichensäcke mitnehmen.«
    »Okay.« Bobby wollte sich jedoch nicht zur Leiter drehen. Stattdessen ging er zurück zu den Regalen, zu einem Anblick, den sein Verstand nicht akzeptieren konnte, den er aber nie wieder vergessen würde.
    Die Leichen hatten mit der Zeit die Farbe von Mahagoni angenommen. Sie glichen nicht trockenen, leeren Hüllen wie die ägyptischen Mumien. Sie waren ledrig, die Gesichtszüge noch erkennbar. Bobby sah dürre Arme, die sich um runde, an den Knien abgewinkelte Beine schlangen. Er konnte zehn Finger zählen, die die Knöchel umfassten. Ihre Augen waren geschlossen. Die Lippen geschürzt. Die Haare klebten an den Schädeln, lange, dünne Strähnen lagen auf den Schultern.
    Sie waren klein. Sie waren nackt. Mädchen. Kinder … Kinder, die in durchsichtigen Plastiksäcken kauerten, aus denen sie nie entkommen konnten.
    Jetzt begriff Bobby, warum die Ermittler auf der Lichtung so sprachlos waren.
    Er streckte eine behandschuhte Hand aus und berührte ganz leicht die erste Plastiktüte. Seine Finger ertasteten eine dünne Metallkette. Er zupfte sie aus den Falten der Tüte und entdeckte einen kleinen silbernen Anhänger, in den ein Name eingraviert war: Annabelle M. Granger.
    »Er hat sie etikettiert?« Bobby stieß einen wüsten Fluch aus.
    »Fast wie Trophäen.« D. D. hatte sich hinter ihn gestellt. Sie streckte die Hand nach der zweiten Tüte aus und holte behutsam einen kleinen, ramponierten Teddybär zutage, der an einer Schnur hing. »Ich denke … Zum Teufel, ich weiß nicht, aber an jeder Tüte hängt etwas. Ein Gegenstand, der ihm etwas bedeutete. Oder dem Kind etwas bedeutete.«
    »Großer Gott.«
    D. D. berührte seine Schulter. »Wir sollten hinaufgehen, Bobby. Christie muss sich an die Arbeit machen.«
    »Ja.«
    »Bobby …«
    Er riss die Hand zurück, warf einen letzten Blick auf die Leichen und hatte das drängende Bedürfnis, sich jedes Bild ins Gedächtnis einzubrennen, als würde es ihnen Trost bringen, wenn sie nicht vergessen wurden.
    Er ging zur Leiter. Seine Kehle brannte. Er brachte kein Wort heraus.
    Er atmete dreimal tief durch, dann hastete er durch die Öffnung und stand unter der blauen Plane.
    Die kühle, dunstige Nacht hatte ihn wieder. Das grelle Scheinwerferlicht hatte ihn wieder. Hubschrauber von Nachrichtensendern, die Wind von der Story bekommen hatten, ratterten über ihren Köpfen.
    Bobby ging nicht nach Hause. Um D. D. einen Gefallen zu tun, war er am Tatort erschienen. Und er hatte ihren Verdacht bestätigt. Niemand würde nach ihm fragen, wenn er sich jetzt aus dem Staub machte.
    Er ging zum Van und goss sich Kaffee in einen Becher. Eine Weile lehnte er an dem Fahrzeug, wie betäubt vom lauten Brummen des Generators. Er hatte keinen Durst und drehte den

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