Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
Vom Netzwerk:
den Bonsais los?
    Ich kam gerade rechtzeitig zur Visite. Der Arzt hob die Augenlider seiner kleinen Patienten an, leuchtete in die Pupillen, kontrollierte alle Geräte, notierte irgendwelche Kringel, die kein Mensch lesen konnte, und versicherte den Eltern, dass alle Werte ihn sehr optimistisch stimmten.
    Edis Mutter sah nicht sehr überzeugt aus, weshalb der Arzt ihr seine Hand auf die Schulter legte, ihr tief in die Augen blickte und sagte: »Bitte, machen Sie sich keine Sorgen. Das wird schon wieder.«
    Sie nickte zwar, schien aber zu erschöpft zu sein, um mit ihm über Hoffnung zu diskutieren. Während bei den anderen Kindern mindestens zwei, bei Bülent sogar fünf Personen saßen, war sie allein an Edis Bett. Sie tat mir leid.
     
    Ich düste zurück in Richtung Kinderstation, traf aber die quengelnde Meute bereits auf halbem Weg an. Sie hatten sich im Spielzimmer gelangweilt, da sie mit den ganzen schönen Spielsachen ja nicht spielen konnten. Dann hatte Niclas angefangen zu heulen, Bülent hatte ihn ein Muttersöhnchen genannt, Edi hatte schlichten wollen, war daraufhin von beiden Jungs gemeinsam angemotzt worden, und Jo hatte es irgendwie geschafft, den Streit zu schlichten und die Meute zusammenzuhalten. Man konnte die Kurzen aber auch keine Sekunde aus den Augen lassen. Ich brachte sie zurück zu ihren Verwandten, redete ihnen ins Gewissen und schaltete mich weg. Ich wollte wissen, wer Gregors neueste Kundin war.
     
    Martin hatte mit der Obduktion schon begonnen. Das ist sein Job. Während meiner eigenen Obduktion haben wir uns quasi kennengelernt. Ich habe inzwischen viele miterlebt, aber trotzdem mag ich dieses Herumwühlen in menschlichen Körpern nicht. Ich gab mir also Mühe, nicht so genau hinzusehen, bemerkte dann aber doch, dass Martin gerade eine ziemlich zerfetzte Leber aus der Leiche hob.
    »Ist die Leiche identifiziert?«, fragte ich.
    Er war mal wieder ganz auf seine Arbeit konzentriert gewesen und erschrak, als ich ihn so unvermittelt anquatschte.
    »Nein«, japste er etwas atemlos.
    »Wie ist sie gestorben?«, fragte ich. Das Offensichtliche, in diesem Fall die Stichelei, ist nämlich nicht immer das Richtige, wie der aufmerksame Rechtsmediziner weiß.
    »Hämorrhagischer Schock.«
    »Hämo was?«
    »Blutvolumenmangelschock«, murmelte er, während er ein Stückchen aus der Leber säbelte, das er später in ein Einmachglas legen und als histologische Probe aufheben würde.
    »Martin, drück dich klar aus!«
    »Sie ist verblutet. Nach mehreren Stichverletzungen.«
    Bitte, geht doch!
    »Wie alt ist sie?«
    »Zwischen fünfzehn und Anfang zwanzig.«
    Mist, das half mir auch nicht weiter. Gut, dann also doch zu Gregor. Vielleicht hatte der inzwischen ein paar neue Informationen.

ZWEI
    Mittwoch, 07   Uhr 55
    Es war noch nicht einmal acht, als ich im Polizeipräsidium ankam. Gregor war gegen sechs Uhr vom Fundort der Leiche abgehauen und vermutlich direkt ins Präsidium gefahren. Er hockte mit geröteten Augen an seinem Computer und studierte die Fotos, die seine Kollegen gemacht hatten.
    Es waren vermutlich Hunderte, etliche klickte er so schnell weiter, dass ich praktisch nichts erkennen konnte. Dann kamen die Detailaufnahmen der Leiche. Das Gesicht mit den geschlossenen Augen, ein Bild wie von einer friedlich Schlafenden. Natürlich keine Überraschung, kein Entsetzen oder so etwas in ihrem Blick, denn im Moment des Todes erschlaffen alle Muskeln. Da gibt es keinen Gesichtsausdruck mehr, der dem Ermittler irgendeinen wichtigen Anhaltspunkt darüber gibt, was der oder die Tote im letzten Moment des zu Ende gehenden Lebens gedacht, gesehen oder empfunden haben könnte. Das ist alles Schwachsinn aus der Glotze oder aus Kriminalromanen, deren Schreiberlinge keine Ahnung von Rechtsmedizin haben und zu faul sind, sich zu informieren. Voll peino.
    Ich hatte keinen Plan, was genau Gregor auf den Fotos suchte, und da ich Gregors Gedanken nicht lesen konnte(erinnern Sie sich, das funktioniert nur bei Martin!), kam ich auch nicht dahinter. Mist.
    »Negativ«, brüllte plötzlich eine Stimme von der Tür her.
    Ich hatte den Typ gar nicht bemerkt, Gregor offenbar auch nicht, denn er zuckte zusammen, als hätte ihm jemand ein Kabel an die Sitzfläche geklemmt.
    »Was?«, fragte er irritiert.
    »Die Vermisstenliste.«
    »Danke.«
    Der Türsteher verschwand.
    »Wer bist du?«, flüsterte Gregor, während ein Pling auf seinem Bildschirm anzeigte, dass er eine Mail erhalten hatte. Aha, die Rechtsmedizin war

Weitere Kostenlose Bücher