Kühlfach betreten verboten
nicht mehr.«
»Hätte sie das tun sollen?«, fragte Gregor.
»Ich hatte mit Frau Akiroglu vereinbart, dass sie mir telefonisch Bescheid sagt, sobald alle Kinder sicher zu Hause sind, denn solange sie in der Obhut der Lehrerin sind, ist die Schule für sie verantwortlich.«
Wieder legte er seinen Kopf in die Hände. »Ich habe versucht, sie auf ihrem Handy zu erreichen, aber da kam nur die Ansage. Irgendwann nach acht rief ihre Mutter bei mir an. Ich habe ihr geraten, die Polizei zu informieren. Das hat sie dann ja wohl getan.«
Bieberstein legte den Kopf wieder in die riesigen Hände. Seine Handflächen waren sicher so groß wie Topfdeckel. Warum war der Mann kein Basketballer geworden? Es musste doch total lächerlich aussehen, wenn er von lauter Winzlingen umgeben war, die ihm gerade mal bis zum Knie reichten?
»Er ist nett«, sagte Edi. »Und dafür, wie man aussieht, kann man nichts.«
Klar, dass eine, die aussah wie sie, so einen Spruch von der Rampe schießen konnte.
»Wie geht es den Kindern?«, fragte Bieberstein.
Die vier Betroffenen spitzten die Ohren.
»Sie wurden in ein künstliches Koma versetzt«, sagte Gregor brummig. Ich war nicht überrascht, dass er sich zwischenzeitlich nach dem Zustand der Zeugen erkundigt hatte – und auch nicht, dass ihre mangelnde Vernehmungsfähigkeit ihn ankotzte. Rein fachlich, natürlich. Als Mensch hatte er sicher Mitleid mit den Lütten und deren Eltern, aber als Bulle brauchte er Antworten.
Bieberstein bekreuzigte sich.
»Kennen Sie diese Frau?«, fragte Gregor, während er das Foto der Leiche auf Biebersteins Tisch legte. Bieberstein betrachtete das Foto aufmerksam, schüttelte dann aber den Kopf.
»Ist sie der Grund, warum die Kripo …«, murmelte er.
Gregor nickte kurz, steckte das Foto wieder ein, ließ seine Visitenkarte da mit dem üblichen Spruch, ihn bei jeder noch so kleinen Information oder Idee anzurufen, und ging hinaus, während Bieberstein am Schreibtisch sitzen blieb und ins Leere starrte. Als er sich auch eine Minute später nicht gerührt hatte, folgten wir Gregor, den wir mit dem Quatschkästchen am Ohr antrafen.
»Bist du mit der Obduktion fertig?«, fragte er. Aha, er telefonierte mit Martin.
»Gut, dann bis gleich.«
Prima, endlich bestand die Aussicht auf ein paar erhellende Fakten. Denn während Martin privat der absolut oberpeinliche Riesenproblemiker ist, beweist er als Rechtsmediziner regelmäßig, wie genial selbst Frotteeschlafanzugträger sein können. Wenn es einen Mord zu entdecken gab, entdeckte er ihn. Gut, im Fall von einem Dutzend Messerstichen war das nicht so schwierig, aber ganz so leicht machten es ihm ja nicht alle Mörder.
Wir düsten also in Richtung Rechtsmedizinisches Institut. Auf halbem Weg stoppte ich plötzlich, weil mir klar wurde, was wir hier gerade vorhatten. Die Kurzen flogen an mir vorbei, bevor auch sie bremsten und sich unsicher umdrehten.
»Ihr verkrümelt euch in die Klinik zu euren Eltern«, sagte ich streng. »Wo ich hingehe, kann ich euch nicht mitnehmen.«
»Wohin gehst du denn?« Die Frage kam natürlich von Edi.
»Ins Rechtsmedizinische Institut. Dort werden Leichen aufgeschlitzt, die Innereien rausgeholt …«
»Igitt«, sagte Niclas.
»Cool«, sagte Bülent. »Mein Onkel ist Metzger, dem habe ich schon mal beim Schlachten geholfen.«
»Abmarsch«, sagte ich.
Natürlich marschierte niemand ab. Ich musste sie persönlich den ganzen Weg zur Uniklinik bringen und hoffen, dass sie mir von dort nicht wieder folgen würden.
Ich kam gleichzeitig mit Gregor an, überhörte das übliche Begrüßungsblabla und konzentrierte mich wieder auf das Gespräch, als es anfing, interessant zu werden.
»Sie ist vermutlich zwischen sechzehn und Anfang zwanzig, aber das hatte ich, glaube ich, schon gesagt, außerdem gesund bis auf einen grippalen Infekt.«
»Schwanger?«
»Nein.«
»Das Wort auf dem Zettel bedeutet Schlampe«, erinnerte Gregor ihn. »Kannst du mir wenigstens sagen, ob sie noch Jungfrau war?«
»Es gibt keinen sicheren medizinischen Beweis für oder gegen eine Jungfräulichkeit, das solltest du doch inzwischen wissen, Gregor.«
»Anzeichen äußerer Gewalt?«
»Keine – wenn man von den Stichverletzungen und den Abwehrverletzungen an den Händen absieht.« Diese Bemerkung kam so ziemlich dem am nächsten, was Martin unter schwarzem Humor verstand. Gregor grinste nicht.
»Tätowierungen, besondere Merkmale, irgendetwas, das bei der Identifizierung hilft?«,
Weitere Kostenlose Bücher