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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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geben. Überhaupt war mein Zustand ziemlichen Beschränkungen unterworfen.
     Ich konnte nur zu einem einzigen Menschen Kontakt aufnehmen und auch dessen Gedanken spüren, aber ich konnte nicht laut sprechen.
     Außerdem musste ich mich von Ort zu Ort bewegen, konnte also nicht beamen, und Gegenstände bewegen ging auch nicht. So hatte
     ich mir das alles nicht vorgestellt.
    »Dann müssen wir anders an die Sache herangehen«, sagte Martin. Er zitterte nicht mehr, war aber immer noch blass. »Wer könnte
     denn einen Grund gehabt haben, dich umzubringen?«
    Ich hätte damit rechnen müssen, dass die Frage kommt, aber trotzdem brachte sie mich erst mal aus der Fassung. |41| Testen Sie das mal selbst: Fragen Sie sich in einer ruhigen Minute Ihres Lebens, wer wohl Bock drauf hätte, Sie einzutüten.
     Na? Ist nicht witzig, was? Mir fielen natürlich auf Anhieb die üblichen Verdächtigen ein. Meine Ex, die ich um ein paar Hundert
     Mäuse beschissen hatte. Mehmet von der Spielhalle, dem ich Geld schuldete. Pablo, der nicht so hieß, mir aber nur unter diesem
     Namen bekannt war und der mein Dealer gewesen war, bevor er in den Knast kam – wofür er mich verantwortlich machte! Sicher
     würden mir bei längerem Nachdenken auch noch weitere Namen einfallen, und natürlich konnte es durchaus sein, dass der Diebstahl
     des SLR mit der Leiche im Kofferraum zu einem gewissen Unmut an betroffener Stelle geführt hatte. Fraglich war nur, an welcher
     Stelle. Beim Besitzer des Wagens? Bei Olli? Seinem osteuropäischen Abnehmer?
    »Meine Ex hat mehrfach und vor Zeugen gedroht, mich eines Tages kaltzumachen«, ließ ich betont lässig fallen. »Die Schlampe
     meint, ich hätte sie beschissen.«
    »Ha-hast du?«, fragte Martin, wobei er vor Nervosität stotterte.
    »Na ja«, begann ich langsam und sofort blinkte in Martins Hirn die Information auf: Also er hat!
    »Schick ihr die Bullen auf den Hals, dann werden wir sehen, was dabei herauskommt«, sagte ich. Eine gewisse Vorfreude ergriff
     mich. Ich malte mir gruselig-schöne Bilder aus, wie die Herren von der staatlichen Trachtengruppe an Ninas Tür klopfen, sie
     grob in den Flur zurückdrängen, sobald sie geöffnet hat, und ihr dann immer wieder dieselbe Frage stellen: »Warum haben Sie
     Ihren ehemaligen Liebhaber umgebracht?«
    Sie würde rauchen, bis sie keine Kippen mehr hätte, die |42| Grünen würden sie nicht rauslassen, um neue zu holen, und Stunde um Stunde müsste sie immer wieder dieselbe Frage beantworten.
     Dackelscharf.
    »Wir können die Polizei nicht einschalten«, erklärte Martin.
    »Warum nicht?«, fragte ich.
    »Weil der Obduktionsbericht keinen Anhaltspunkt für ein Verbrechen gibt und auch die Polizei von einem Unfall ausgeht. Die
     Untersuchungen im Fall deines Todes sind abgeschlossen.«
    »Dann müsst ihr sie wieder aufnehmen«, sagte ich.
    »Das Thema haben wir bereits erörtert«, entgegnete Martin. »Ich kann der Polizei nicht sagen, dass das Mordopfer mir erzählt
     hat, es sei umgebracht worden.«
    »Dann musst du mit meiner Ex sprechen«, sagte ich, aber meine Begeisterung war verflogen. Martin war ein Warmduscher. Er würde
     Nina in seiner vorsichtigen Art höflich fragen, ob sie vielleicht eventuell ihren Exlover umgebracht hätte, und sie würde
     ihn fragen, ob ihm sein Hirn in den Sack gerutscht sei. Dann käme ihr eine Idee, sie würde sich mit der Zunge über die Lippen
     fahren, eine Haarsträhne um den Finger wickeln und sich unauffällig nach der versteckten Kamera umsehen. Und wenn sie schnallt,
     dass es keine Kamera gibt, würde sie ihn ansehen, als sei er eine Ratte mit Furunkel am Schwanzansatz, und ihn schlicht und
     einfach rausschmeißen. Ade, du schönes Folterverhör. Martin ließ sich von mir Ninas Namen und ihre Adresse geben. Er wollte
     sich heute nach Feierabend auf den Weg machen, und ich beschloss, ihn nicht darauf hinzuweisen, dass ich selbstverständlich
     mitzukommen gedächte.
     
    |43| Der restliche Tag verlief ohne weitere nennenswerte Zwischenfälle, wenn man davon absieht, dass ein Selbstmörder zwecks Feststellung
     der Todesursache eingeliefert wurde. Angesichts der Tatsache, dass der Körper des Mannes direkt oberhalb des Bauchnabels von
     einem Güterzug mit fabrikneuen Autos eines großen Kölner Werkes sauber durchtrennt war, konnte ich die Notwendigkeit einer
     eingehenden Obduktion nicht erkennen, denn ich hätte als Todesursache auf – Überraschung! – Zerstückelung getippt, aber Martin
     und die

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