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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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auf einen Konferenzstuhl fallen. »Und was tun wir jetzt?«, fragte er.
    »Wir müssen herausfinden, wer die T…« ich schluckte das Wort »Tussi« schnell herunter, »wer die Tote ist.«
    |113| Martin sah mich tadelnd an, vielleicht hatte er das Wort gespürt, bevor ich es formuliert hatte.
    »Dafür ist die Polizei zuständig«, sagte er.
    »In ihren Kreisen wird die Polizei nichts erfahren«, sagte ich.
    »In ihren Kreisen?«
    Er hatte wieder diese Schwer-von-Begriff-Phase, die mir so auf den Sack ging.
    »Die Frau ist seit mindestens acht Tagen tot, richtig?«, fragte ich.
    Er nickte.
    »Und sie ist noch nicht als vermisst gemeldet worden, richtig?«
    Nicken.
    »Und sie hat ein Gebiss aus Osteuropa und ist vermutlich eine Professionelle?«
    Wieder Nicken.
    »Glaubst du, dass sie sich legal in Deutschland aufhält?«
    Jetzt hatte er es endlich kapiert!
    »Aber …«, begann er. Doch ich duldete definitiv keinen Widerspruch mehr.
    »Dich hält man im Leben nicht für einen Bullen«, sagte ich. Allein die Vorstellung, dass Pummel Tollpatsch einer Strafverfolgungsbehörde
     angehören könnte, war eine Lachnummer. »Du hast eine Chance, ihre Identität herauszufinden.«
    »Aber was soll ich denn sagen, warum ich sie suche?«
    Hätte ich Augen gehabt, hätte ich sie verdreht, bis sie zweimal rum und wieder gerade ausgerichtet wären.
    »Sag doch einfach, dass du dich in sie verliebt hast«, schlug ich spaßeshalber vor.
    |114| Martin nahm den Vorschlag ernst. »Aber dann müsste ich doch ihren Namen wissen«, wandte er ein.
    »Du könntest sie in einer Schlange an der Supermarktkasse gesehen und dich sofort Hals über Kopf in sie verguckt haben«, spann
     ich den Faden weiter. Ganz wie in diesen romantischen Komödien, mit denen die Privatsender zwischen drei und fünf die schlaflosen
     Schnulzenspanner beglücken. Noch während ich mit etwas spöttischem Tonfall sprach, erkannte ich, dass die Idee genial war.
     Martin würde einen unglücklich Liebenden mit absoluter Glaubwürdigkeit spielen. Er wirkte harmlos und erregte Mitleid. Wenn
     er mit dieser Masche keine Informationen über die Frau bekommen konnte, dann konnte nichts und niemand ihre Identität aufdecken.
     Bingo!
    Er formulierte in Gedanken immer noch Einwände wie zum Beispiel den, dass die Polizei sicher noch nach ihrer Identität forschte
     und er den Jungs nicht in die Quere kommen wollte, aber er widersprach nicht mehr. Immerhin war ihm auch schon die Idee gekommen,
     dass die Bullen nicht den Schimmer einer Ahnung hatten, wo sie die Frau suchen sollten. Auch wussten sie nicht, dass sie in
     dem Auto gesteckt hatte, von dem sie ja nicht einmal wussten, dass ich es geklaut hatte. Und wieder konnte Martin seine Freunde
     von der Kripo nicht einfach auf all diese Tatsachen hinweisen, da er dann erklären müsste, woher er das alles wusste … An
     der Stelle gab er die geistigen Widerstände völlig auf und akzeptierte, dass die Suche nach der Identität der Fremden an ihm
     hängen bleiben würde.
    Allerdings fiel mir jetzt selbst noch ein kleines Problem ein. Wenn er, der sich an einer Supermarktkasse in die Schöne verknallt
     hatte, nun mit einem Foto herumlief, das |115| ihre Leiche zeigte, dann könnte die ach so schnulzige Geschichte ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem haben. Aber Martin meinte
     nur:
    »Kein Problem, für solche Fälle haben wir ein Programm, das aus einem Foto eine Zeichnung macht.«
    Na bitte, geht doch.
    Nach der Fernsehterrornacht und der aufreibenden Diskussion am Vormittag wollte ich mir ein paar ruhige Stunden gönnen und
     schwebte hinunter in den Sektionstrakt, flatterte am Sektionssaal vorbei, ohne hineinzuschauen, und glitt in Kühlfach Nummer
     vier.
    Ich bemerkte es sofort: Irgendetwas stimmte nicht. Ich fühlte mich nicht zu Hause. Fühlte mich wie in einem Grab. Fühlte mich
     widerlich beschmutzt. Ich wunderte mich sehr über mich selbst. Eigentlich sollte einem sein eigener Körper doch keine solchen
     Ekelgefühle verursachen, zumal er sauber gewaschen war, was selbst zu meinen Lebzeiten nicht immer der Fall gewesen war. Ich
     war jedenfalls von mir selbst seltsam berührt und überlegte, was ich nun tun sollte, als das Fach aufgezogen wurde. Mich traf
     ein heller Lichtstrahl und dann der Schlag. Im Kühlfach Nummer vier lag eine fremde Leiche! Und zwar eine ziemlich, nein,
     nicht ziemlich, sondern eine wirklich ekelhafte! Ich erspare Ihnen die Details, aber die Leiche war nicht mehr ganz frisch,
     wenn Sie

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