Küss den Wolf
außer Rand und Band, dass ich kaum fünf Minuten still sitzen konnte.
Der heutige Unterricht war geradezu spurlos an mir vorbeigezogen und auch das Essen mit den Girls hätte meinetwegen ausfallen können.
25.
Freitag, 23. April
Einladung zum Fest der Feen
Wann: In der Nacht zum 1. Mai
Wo: Tor zur Anderswelt
Wir freuen uns auf dich!
Holla
Ungläubig starrte ich auf das schimmernde Stück Papier in meiner Hand. Es sah aus, als sei es aus Perlmutt. Mittlerweile war es über eine Woche her, seit ich Holla zuletzt gesehen hatte. Nach ihrem Besuch im Krankenhaus war sie wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Und nun lag – einfach so – diese Einladung auf meinem Kopfkissen. Ich drehte und wendete das Blatt, hielt es gegen das Licht und überlegte, wie es hierhergekommen war oder ob Verena sich einen Scherz mit mir erlaubt hatte. Doch eine innere Stimme sagte mir, dass die Einladung wirklich von Holla stammte.
Aber was um Himmels willen meinte sie mit dem Tor zur Anderswelt? Wie kam man da durch?Und weshalb gerade an diesem Datum?War das so eine Art Tanz in den Mai für Feen?
Nachdem meine Gedanken eine Weile ergebnislos Karussell gefahren waren, beschloss ich, der Sache endgültig auf den Grund zu gehen. Dafür gab es in Hamburg kaum einen besseren Ort als eine esoterische Buchhandlung, nur ein paar Minuten von mir entfernt.
Als ich wenig später die Ladentür öffnete, empfing mich der Duft von Räucherstäbchen, im Hintergrund lief sphärisch klingende Entspannungsmusik.
»Kann ich behilflich sein?«, fragte mich ein sympathisch wirkender junger Mann, der total entspannt aussah. »Ich suche Bücher über Feen«, antwortete ich. »Dann kommen Sie mal mit«, sagte er freundlich und führte mich zu einem Regal mit der Beschriftung Elementarwesen und Naturgeister . »Suchen Sie etwas Bestimmtes? Wollen Sie einen Notruf an die Feen schicken, einen Feengarten anlegen oder das Amulett aufladen?« Ich verstand nur Bahnhof. Aber wenigstens machte der Verkäufer den Eindruck, als wüsste er, wovon er sprach.
»Herr…«, meine Augen suchten sein Batik-Hemd vergeblich nach einem Namensschild ab. »Michael. Wie der Erzengel«, ergänzte er charmant. »Hätten Sie zufällig Lust, mir ganz privat etwas über Feen zu erzählen? Ich würde Sie dann als Dankeschön zum Essen einladen oder so.« Michael grinste. »Ich könnte gerade gut einen Kaffee brauchen und ein Stück Kuchen wär auch nicht schlecht. Wollen wir uns in das Café gegenüber setzen?« Minuten später saßen wir vor appetitlich aussehenden Muffins. »Also, was weißt du über Feen und ihre Feste?«, fragte ich. Michael rührte in seinem Milchkaffee. »Feen feiern traditionell in den Vollmondnächten, sie begehen die Tagundnachtgleiche, die Mittsommernacht und die Nacht zum ersten Mai. An diesen Tagen ist der Übergang in die vom Mond regierte Anderswelt besonders leicht. Wenn du mit ihnen zusammen sein willst, such dir einen Ort in der Natur, an dem ein Tor zwischen den Welten möglich ist.«
»Und wo soll das sein?«, fragte ich, meine Neugier wuchs von Minute zu Minute. Wie auch immer ich das machen würde, ich war wild entschlossen, Hollas Einladung zu folgen! »Du findest diese Stellen, wenn du mit wachen Augen und einem offenen Herzen durch die Natur streifst. Die Naturgeister lieben Wasserfälle, Höhlen, Meeresbuchten oder auch Berggipfel.«
»Ein bisschen schwierig in einer Stadt wie Hamburg, oder?«
»Klar ist eine Großstadt nicht gerade ein Mekka für Elementarwesen. Aber wenn du dich konzentrierst, kann es sein, dass du an einem Lagerfeuer, an einem Bach oder auf einer Wiese plötzlich ein zartes, feines Kichern oder Wispern hörst. Aber auch kreisförmig wachsende Blumen oder Pilzkolonien können ein Hinweis für die Existenz der Feen sein.« Okay, das klang schon besser. Wahrscheinlich standen in Theodoras Garten die Chancen gar nicht so schlecht. Da wuchsen nämlich haufenweise wilde Champignons und andere Wiesenpilze. »Gilt ein Maulwurfshügel auch als Berggipfel?«, versuchte ich mit einem Witz darüber hinwegzutäuschen, wie faszinierend ich das alles in Wahrheit fand. Zum Glück verstand Michael Spaß: »Ich denke schon. Aber vergiss die Steigeisen nicht, wenn du ihn erklimmen willst.«
»Und wie komm ich dann in diese Anderswelt?«, fragte ich, denn dieser Teil der Veranstaltung machte mir am meisten Angst. Im Grunde ging es mir dabei auch weniger um das Hineinkommen als um das Wieder-Herauskommen hinterher. »In erster Linie
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