Küss den Wolf
Kopf.
Was bitte schön wollte sie mir damit sagen?
»Wenn du kein Pesto magst, kann ich uns auch eine ganz einfache Tomatensoße machen«, schlug Leo vor und sah mich fragend an. »Pippa, alles gut bei dir? Du bist auf einmal so blass.«
»Alles in Ordnung, mach dir keinen Stress wegen der Soße!«
Ich bin eh nur hier, weil ich es kaum erwarten kann, endlich mit dir ins Schlafzimmer zu gehen und zu testen, was deine Hände sonst noch alles können… Holla sah plötzlich aus, als sei sie am Rande eines Kollapses. Sie sprang vom Regalbrett und stellte sich mir gegenüber, die Hände in die Hüften gestemmt.
Nun war sie wieder genauso groß wie immer. Aber sie guckte viel grimmiger, als ich es bislang je bei ihr erlebt hatte. Am liebsten hätte ich gesagt »Nun spiel hier mal nicht die Tugendwächterin«, aber dann wäre natürlich Holland in Not gewesen, und Leo hätte mich für verrückt erklärt. Also versuchte ich, sie zu ignorieren, und setzte mich an den schön gedeckten Tisch. Leo füllte zwei Teller mit Linguine, löffelte das Pesto darauf und streute die Basilikumblätter darüber. Dann schenkte er uns beiden Wasser ein. »Wie geht es Theodora?«, fragte er, während das leckere Essen meine Geschmacksnerven kitzelte.
»Es geht ihr zum Glück erstaunlich gut. Sie wird Ende nächster Woche entlassen und kommt dann in die Reha. Ich soll dich ganz lieb von ihr grüßen. Sie findet es toll, dass du heute Abend für mich kochst.«
»Ihr beide habt ein sehr enges Verhältnis, oder? Verstehst du dich mit deinen Eltern auch so gut?«
»Lass uns lieber nicht von denen sprechen. Erzähl mir stattdessen ein bisschen was über dich. Ich weiß so gut wie gar nichts von dir.«
»Was möchtest du denn wissen? Was ich an der Uni mache, welches meine Hobbys sind, wohin ich in den Urlaub fahre, ob ich lieber Lakritz mag oder Marzipan?« Nein, eher so was in der Art wie: Wie viele Freundinnen hattest du schon? Findest du mich hübsch und sexy? Willst du mit mir zusammen sein?
»Ich tippe auf Lakritz«, sagte ich aufs Geratewohl.
Dass Holla, die mittlerweile auf dem Fensterbrett saß, unser Gespräch weiterhin mit Argusaugen verfolgte, nervte mich total. Was wollte sie denn noch hier?
»Und du?«
»Ich äh… bin mehr so der Marzipan-Typ«, stammelte ich und sandte Holla einen bösen Blick. Konnte sie jetzt bitte, bitte endlich in ihre Anderswelt zurückfliegen?
»Und damit sind alle deine Fragen beantwortet? Nun, das war ja einfach«, grinste Leo. »Aber ich habe noch eine Frage an dich, Pippa: Könntest du dir… also ich meine… würdest du gerne von jetzt an häufiger mit mir zusammen sein?« Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich schielte an Leo vorbei Richtung Holla. Zum Glück besaß sie doch so viel Feingefühl, mich nicht weiter zu stören, und war verschwunden. Also lächelte ich und sagte feierlich: »Sehr, sehr gern!« Aber was nun? Würden jetzt die Hochzeitsglocken läuten? Leo stand auf und kam zu mir. Dann zog er mich sanft zu sich hoch und führte mich wortlos ins Schlafzimmer.
Dummmdummmdummmdummmdummm… Das Blut pulsierte in meinen Ohren. Mein Herz tanzte Tango, meine Gefühle fuhren Achterbahn.
Endlich war es so weit – ich würde in Leos Armen liegen!
Keine Ahnung, was plötzlich in mich gefahren war.
Bislang hatte ich es überhaupt nicht eilig gehabt, mich in irgendwelche erotischen Abenteuer zu stürzen. Ganz im Gegensatz zu einigen anderen, die kein anderes Ziel hatten, als ES endlich zu tun.
Doch jetzt hatte mich die Neugierde doch gepackt. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlen würde. Mit ihm…
»Hey, du zerquetscht mich gleich. Hast du keine Augen im Kopf?« Oh nein – Holla! Die Waldfee lag diagonal auf Leos Bett und hatte sich richtig schön breitgemacht. Verdammt, was sollte denn das jetzt schon wieder?Was sollte ich jetzt machen? Ich konnte mich ja schlecht auf sie drauflegen, oder?Leo bekam zum Glück von alldem nichts mit.
Wir standen am Rand seines Futon-Doppelbetts und er begann, den Gürtel meines Wickelkleids zu lösen…
28.
Samstag, 24. April
Bin spontan zur Kosmetik und zum Friseur,
komme aber spätestens zum Mittagessen
nach Hause.
Bei dir scheint es ja gestern Abend
spät geworden zu sein. Kuss, deine Mama
Kosmetik?
Friseur?
Verwirrt starrte ich auf den Frühstückstisch. Verena hatte Aufbackbrötchen im Korb drapiert, Orangensaft gepresst und sogar ein Ei gekocht, das unter einem Wärmer in Form einer roten Strickmütze steckte. Ich musste lachen, als
Weitere Kostenlose Bücher