Küss den Wolf
»Ich bleibe allerdings nur ganz kurz, weil ich gleich wieder wegmuss«, lächelte Leo und gab ihr die Hand. »Aber er wollte dir vorher noch persönlich Bescheid geben, dass alles geklappt hat und du bald in ein warmes, kuscheliges Haus zurückkehren kannst«, erklärte ich stolz wie Oscar. »Kann Leo nicht für sich selbst sprechen?«, fragte Oma augenzwinkernd und klopfte einladend auf die Bettkante. Ich setzte mich zu ihr und Leo auf den Besucherstuhl gegenüber. »Hat einer von euch zufällig Lust auf Pralinen? Meine Besucher scheinen der Ansicht zu sein, dass mein Herz durch Süßigkeiten schneller geheilt wird«, lächelte sie und deutete auf diverse Packungen, die sich auf ihrem Nachttisch türmten. »Oh«, sagte ich ein wenig enttäuscht. »Dann hätte ich mir das hier wohl sparen können…« Ich zog einen hellrosa-weiß gemusterten Karton aus meiner Tasche, in dem drei Cupcakes darauf warteten, Theodora den Krankenhausaufenthalt ein wenig zu versüßen. Dazu hatte ich Traubensaft mitgebracht, weil ich wusste, wie gern sie den mochte.
Oma öffnete die Schachtel und bestaunte den Inhalt. Dann nahm sie die Flasche und begann zu kichern. »Was ist denn so lustig?«, fragte Leo verwirrt. »Irgendwie erinnert mich diese Szene an Rotkäppchen. Nur dass Pippa statt Wein Traubensaft mitgebracht hat und anstelle von selbst gebackenem Kuchen diese Küchlein, die schon die Damen aus Sex and the City mit Vorliebe vernascht haben. Mal sehen, mit welchen Frostings sind sie denn gefüllt?« Erstaunt starrte ich Theodora an. »Du schaust Sex and the City?«, fragte ich fassungslos, Leo grinste. »Aber natürlich!«, entgegnete Theodora. »Schließlich muss ich ja wissen, was bei euch so abgeht. Also, Kindchen: Womit sind diese wunderhübschen Kalorienbomben gefüllt?« Immer noch ein wenig verwirrt zählte ich auf: »Kokosnuss, Vanille und Schokolade«.
»Ich starte mit Kokos«, beschloss Oma und biss in den ersten Kuchen. »Mhm, ein Traum«, schwärmte sie. »Genauso lecker wie Cake Pops, die gerade so in sind. Ach übrigens, Leo, es tut mir leid, ich bin ganz furchtbar unhöflich. Ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie das mit der Heizung geregelt haben. Sobald ich wiederhergestellt bin, überlege ich mir etwas, um mich bei Ihnen für den Gefallen zu revanchieren. Die Rechnung überweise ich, wenn ich in der Lage bin, zur Bank zu gehen. Oder soll meine Tochter das online erledigen?«
Leo wirkte verlegen. »Ach was, das ist völlig in Ordnung. Ich habe das sehr gern getan! Und was die Zahlung betrifft, da habe ich mit der Firma eine Frist von 60 Tagen ausgehandelt. Lassen Sie sich also ruhig Zeit und kommen Sie erst einmal wieder auf die Beine. Aber apropos Frist: Ich sollte jetzt wirklich los, ein Kundentermin, den ich nicht verschieben konnte. Leider muss ich im Moment ziemlich viel jobben, um mir mein Studium zu finanzieren. Deshalb hab ich blöderweise auch viel zu wenig Zeit…« Blick in meine Richtung ». . . für mein Privatleben.« Großmutter lächelte verständnisvoll: »Ja, so ist das, wenn man jung ist und viele Pläne hat. Umso mehr freut es mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mich zu besuchen.« Leo gab ihr die Hand und wandte sich dann an mich. »Pippa? Magst du noch einen Moment mit rauskommen?« Fragend schaute ich Oma an, die nickte. »Ich esse mein Törtchen zu Ende und werde mich schon nicht langweilen, also geh ruhig.« Als Leo und ich auf dem Vorplatz der Klinik standen, konnte ich mich kaum noch beherrschen. Ich hatte solche Sehnsucht nach ihm gehabt und wollte jetzt endlich wieder Zeit mit ihm verbringen. Bei ihm sein, in seine Augen schauen, seinen Arm um mich spüren… und ihn nie wieder loslassen…
»Also, Rotkäppchen, ich muss dann mal los«, sagte Leo bedauernd und sah mich zärtlich an. »Das nächste Mal sollten wir uns unbedingt mehr Zeit füreinander nehmen.« Bevor ich antworten konnte, versiegelten seine weichen, samtigen Lippen meinen Mund, und ich schwebte auf Wolke sieben. Dieser Kuss fühlte sich so selbstverständlich an, als sei mein Mund nur dazu erschaffen worden, um seinen Mund zu küssen. »Pippa, Pippa, das war mehr als überfällig«, murmelte Leo und küsste zärtlich meinen Hals. Mir wurde ganz schwindelig.
Konnte bitte, bitte jemand die Zeit anhalten?!?
Leo lächelte, nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mir tief in die Augen: »Träum heute Nacht von mir, mein süßes Rotkäppchen. Ich werde dich im Schlaf besuchen…«
Mit diesen Worten drehte er
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