Kuess mich, Playboy
alten Mann bewusstlos geschlagen worden war. Sollte sie ruhig zusehen, wie sie die Sache ihrem Vater erklärte. „Sie sind dran, signorina .“
Chiara stockte das Herz. Sie müsste jetzt sagen: „ Papà , der Amerikaner hat recht. Wir haben uns nicht ‚getroffen‘, sondern ich habe ihm auf der Straße aufgelauert, um ihn zu vertreiben.“
Was für ein Witz! Sie hatte ihn praktisch direkt hierher gelotst. Das konnte sie nicht erklären, ohne nicht auch Enzo mit hineinzuziehen. Und das durfte sie nicht. Sie kannte ihren Vater. Er würde Enzo aus San Giuseppe verbannen, aus dem Ort, in dem der alte Mann sein ganzes Leben verbracht hatte. Oder, noch schlimmer – bei dem Gedanken schlug ihr das Herz bis zum Hals –, Enzo würde ein tragisches Unglück zustoßen. Diesen Satz hatte sie in der Vergangenheit öfter von ihrem Vater gehört.
Sie dürfte solche Dinge eigentlich gar nicht wissen. Als sie noch klein war, da hatte ihr Vater immer gesagt, dass Gio oder Aldo oder Emilio nicht mehr für ihn arbeiteten. Und als sie dann zwölf war, wusste sie, was das bedeutete. Niemand ‚arbeitete nicht mehr‘ für den don . Sie hatten Unfälle oder verschwanden einfach, und niemand erwähnte mehr ihre Namen.
Aber wenn sie sich nicht etwas einfallen ließ, wer wusste schon, was ihr Vater mit Raffaele Orsini anstellen würde? Der Mann selbst interessierte sie nicht, aber sein „Unfall“ sollte nicht für den Rest ihres Lebens auf ihrem Gewissen lasten. Sie würde also eine Geschichte erfinden und improvisieren. Und hoffen, dass der Amerikaner ihre Version nicht verbesserte. „Papa, Signor Orsini und ich sind uns begegnet, als ich … als ich …“
„Schweig!“, donnerte ihr Vater. „Das betrifft dich nicht. Signor Orsini, ich verlange eine Erklärung.“
„Sie verlangen?“, fragte Rafe geradezu sanft.
„Ja, ich verlange. Erklären Sie Ihre Handlungen.“
Chiara hatte Männer vor dem steinernen Gesicht, das ihr Vater jetzt machte, angstvoll zurückweichen sehen. Orsini, mit all seiner einstudierten Selbstsicherheit, würde da bestimmt keine Ausnahme machen. Die Fassade arroganter Männlichkeit würde bröckeln, und er würde ihrem Vater gar nicht schnell genug die ganze Geschichte berichten.
„Meine Handlungen erkläre ich niemandem“, erwiderte der Amerikaner kalt.
Cordiano versteifte sich. „Sie kamen her, um mich für eine Schmähung um Vergebung zu bitten, die mir vor fast einem halben Jahrhundert zugefügt wurde. Stattdessen beleidigen Sie mich aufs Neue.“
„Ich bitte auch grundsätzlich nicht. Ich kam her, um Ihnen die Entschuldigung meines Vaters zu überbringen, und ich entschuldige mich bei Ihrer Tochter. Was mich betrifft, ist die Angelegenheit damit erledigt.“
Chiara hielt den Atem an. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein, lastende Stille hing im Raum. Ihr Vater verzog die Lippen, es sollte wohl ein Lächeln darstellen, aber sie wusste, das war es nicht.
„Nun gut. Sie können gehen.“
Der Amerikaner nickte und ging zur Tür. Ihr Vater kam zu ihr. „Steh auf“, herrschte er sie an.
Raffaele Orsini hatte die Tür schon aufgezogen, aber sobald er die Worte des don hörte, drehte er sich noch einmal um.
„Lassen Sie uns eines klarstellen, Cordiano. Ihre Tochter trifft keine Schuld an dem, was passiert ist. Ich meine, dass ich sie geküsst habe.“
„Was Sie sagen, zählt hier nicht. Und jetzt raus mit Ihnen. Chiara, steh auf.“
Langsam richtete Chiara sich auf. Glühende Wut spiegelte sich in der Miene ihres Vaters. Physisch würde er ihr nichts antun, das verbot ihm sein Moralkodex, aber er würde die Sache auch nicht so einfach hinnehmen. Da konnte Orsini schwören, dass sie keine Schuld hatte, so oft er wollte. Ihr Vater sah das anders. Eine Frau musste ihre Ehre bis zum letzten Atemzug verteidigen, und sie hatte das nicht getan.
Irgendjemand würde für die ihrem Vater zugefügte Beleidigung zahlen müssen. Und wer, wenn nicht sie?
Die Augen fest auf sie gerichtet, orderte er seinen capo in den Raum zurück. „Giglio, du hast alles mitgehört?“
Der Mann zögerte kurz, dann: „Sì.“
„Dann weißt du jetzt auch, dass meine Tochter entehrt ist.“
Rafe sog hörbar den Atem ein. „Moment mal …“
„All die Jahre habe ich sie mit Fürsorge und Bedacht erzogen.“
„Du hast mich überhaupt nicht erzogen“, widersprach Chiara bebend. „Ich hatte Kindermädchen und Gouvernanten …“
Ihr Vater ignorierte sie. „Ich habe darauf geachtet, dass sie ihre
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