Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
erwiderte sie. »Vielleicht ist das einer der Gründe, warum sie Freunde waren.«
»Vielleicht. Jedenfalls war mein Onkel lange, bevor es in Mode kam, fasziniert von allem, was mit Japan zusammenhing. Er studierte die Sprache der Japaner, ihre Kultur, ihre Geschichte und ihre Theater- und Musiktraditionen. Er las Bücher über die unterschiedlichen Philosophien und Religionen. Ja, er baute sogar ein Mondobservatorium im Garten.« Minerva reckte das Kinn. »Es ist immer noch da.«
Gillian warf einen Blick durch das Fenster. Neben einer Reihe von Gewächshäusern befand sich eine einfache Podestkonstruktion mit verschiedenen bequem aussehenden Sesseln. Sie fragte vorsichtig nach: »Ein Mondobservatorium ist eine Plattform, wo man sich hinsetzt und den Mond beobachtet?«
Minerva füllte zuerst eine genau abgemessene Menge Teeblätter in ein antikes silbernes Teeei, bevor sie antwortete: »Genau.«
»Ohne die störenden Lichter der Stadt muss man von dort eine ausgezeichnete Sicht haben.«
»Hat man auch.«
»Ich sehe, Sie haben auch Gewächshäuser.« Es war teils eine Beobachtung und teils eine Frage.
»Dort ziehe ich die Kräuter, die ich für mein Geschäft brauche.« Mit einem Silberteelöffel in der einen und einer zarten Porzellanteetasse in der anderen Hand zögerte sie kurz und fragte dann: »Sie wissen ja wahrscheinlich noch gar nichts von meinem Geschäft, oder?«
»Nein«, gab sie zu.
Minerva spähte über den Rand ihrer Brille. »Ich habe mich mein Leben lang für Pflanzen und Kräuter interessiert. Für ihre Geschichte und ihre Besonderheiten. Ich wollte wissen, wie sie aussehen und riechen. Ich liebe sogar den Klang ihrer Namen: Silberdistel, Augentrost, Fieberkraut, Helmkraut, Schachtelhalm, Mäusedorn, Passionsblume.«
Gillian hob fragend eine Augenbraue.
»Nicht die blaue Passionsblume, die wir als Zierpflanze kennen. Diese Pflanze enthält Zyanid und ist giftig.« Minerva arrangierte Plätzchen, Gebäckstücke, englische Scones und Zitronenschnitten auf einer vierstufigen Etagere und plauderte munter weiter. »Ich spreche von der Gattung Passiflora aus der Familie der Passifloraceae ; diese Pflanze wird gemeinhin als Sedativum eingesetzt. Sie hilft auch bei Kopfschmerzen, Nervosität und Schlaflosigkeit und ist gut gegen Schimmel und andere Pilze.«
Gillian schaffte es, während Minervas Vortrag völlig ernst zu bleiben.
Minerva machte eine kurze, wohlverdiente Atempause. »Nun gut, vor Jahren – ehrlich gesagt, vor mehr Jahren, als ich freiwillig gerne zugebe – schenkte mir mein Onkel ein Stückchen Land im Garten, und ich begann mit der Pflanzerei. Heute besitze ich ein florierendes Geschäft und verkaufe, offen oder in Beuteln, Kräutertees, Teemischungen, Gesundheitselixiere … Ich habe zwar eine Hand voll Abnehmer für meine Produkte hier in der Stadt, vermarkte sie aber hauptsächlich über den Versand. Dabei arbeite ich mit einer talentierten PR-Spezialistin zusammen – sie heißt Sara -; ja, ich habe sogar eine eigene Website und einen brillanten Webmaster, und zwar Cissy. Ich müsste also richtigerweise wohl sagen: eine Webmasterin beziehungsweise Webmistress.«
»Wie heißt Ihr Geschäft?«
»Wasser vom Mond.«
»Wasser vom Mond«, wiederholte Gillian nachdenklich.
»Der Name kommt aus dem Japanischen und bedeutet etwas, das man nie bekommen kann.«
»Hat Ihr Onkel den Namen vorgeschlagen?«
Minerva nickte, während sie den Kopf in einen Schrank steckte, der sich ein gutes Stück unter Augenhöhe befand. Wie durch ein Wunder lösten sich dabei keine Haarklemmen aus ihrem Haar. Triumphierend tauchte sie mit einem passenden Sahnekännchen und Zuckerdöschen wieder auf. »Onkel Bert hat mir erzählt, dass er diesen Ausdruck das erste Mal während des Zweiten Weltkriegs von einem Freund gehört hatte.« Sie machte eine Pause, um eine angemessene Wirkung zu erzielen, und fuhr dann fort: »Dieser Freund war Jacob Charles.«
Gillian wurde ganz still. Für einen Augenblick war das einzige Geräusch in der Küche der pfeifende Teekessel auf dem Herd. »Mein Großvater?«, fragte sie schließlich, und ihr Tonfall verriet, wie überrascht sie war.
»Ja.«
Minerva wieselte geschäftig herum. »Ich habe Himbeertee für uns gemacht. Ich hoffe, das ist Ihnen recht.«
»Ja, sicher.«
»Himbeeren sind besonders gut für Frauen. Sie stärken die Uteruswand, verhindern Ausfluss, regen nach der Entbindung die Milchproduktion an und bringen Erleichterung bei Mundfäule.«
Manchmal
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