Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
aufwachen und nicht mehr einschlafen können.« Die dunklen Ringe unter Gillians Augen erwähnte sie aus Diskretion und Höflichkeit nicht. »Irgendwann kommen Sie noch einmal vorbei, und dann zeige ich Ihnen meine Treibhäuser und das Labor, wo ich meine Tränklein mixe, wie die Leute in der Stadt sie nennen.«
»Das würde ich sehr gerne tun.«
»Ach, noch eine letzte Sache«, rief sie der schlanken blonden Gestalt hinterher, die bereits auf dem Bürgersteig stand.
Gillian blieb stehen. »Ja?«
Minerva versuchte einen leichten Ton anzuschlagen. »Es war Jacobs Lieblingswort.«
»Was war Jacobs Lieblingswort?«
»Wasser vom Mond.«
Der Gesichtsausdruck der jungen Frau wirkte leicht verunsichert.
Minerva hatte das Gefühl, eine Erklärung abgeben zu müssen. »Jacob sagte einmal zu meinem Onkel, der wirkliche Lebenskampf bestehe darin, akzeptieren zu lernen, dass es Dinge gebe, die man nie haben könne.«
»Er hatte Recht.« Gillian dreht sich um und ging zu dem rosa Cadillac, der am Bürgersteig parkte.
Kapitel 13
Er hätte drei Hände gebraucht.
Sam griff nach seiner Aktentasche, dem Strauß Margeriten und der Flasche Rotwein »Oregon Pinot«, von dem der Verkäufer im örtlichen Spirituosengeschäft behauptet hatte, er komme von allen Weinen, die Sam in Sweetheart bekommen könne, einem erlesenen Burgunder am nächsten.
Er warf einen Blick auf die überdimensionale Pappschachtel auf seinem Beifahrersitz, die eine extragroße Pizza Peperoni dreifach von Papa Tony’s Pizzeria enthielt.
Gut, halb dreifach Peperoni und halb nur Käse. Er wollte kein Risiko eingehen.
»Okay, auf ein Neues.«
Ihm wurde bewusst, dass er eine ganze Menge Selbstgespräche in den letzten vierundzwanzig Stunden geführt hatte; seit Max ihn für ein paar sanfte Frauenhände, eine sanfte, weibliche Stimme und sanfte, blaugrüne Augen, die ihre Farbe je nach Stimmungslage der Lady zu wechseln schienen, schnöde verraten hatte.
In einer Stadt, in der die Wände Ohren hatten, es kaum eine Privatsphäre gab und Gerüchte ständig hoch im Kurs standen, war der belgische Schäferhund sein einziger echter Vertrauter. Das wurde ihm erst jetzt – reichlich spät – so richtig klar.
Max gab niemals vertrauliche oder hochsensible Informationen über einen Klienten weiter. Max hatte nie etwas dagegen einzuwenden, wie Sam einen Fall behandelte. Er kritisierte nie seine Einlassungen vor dem Richter. Er mäkelte nie an ihm herum und war nie indiskret.
Max war vertrauenswürdig. Max war loyal. Er war ein perfekter Zuhörer und ein perfekter Gefährte.
Zumindest war er das gewesen, bis sie auftauchte.
»Das hast du dir selbst zuzuschreiben, Law.«
Nun gut, technisch gesehen hatte niemand daran Schuld. Der gesunde Menschenverstand sagte einem, dass Max besser zu Hause aufgehoben war und dass Gillian einen Wachhund dringender brauchte als er.
Sicher, wahrscheinlich würde sie Max jetzt für immer ruinieren, ihn völlig verziehen, ihn mit Zuneigung und Aufmerksamkeit überschütten, ihm erlauben, jede Nacht in ihrem Bett zu schlafen, ihn auf lange Spaziergänge mitnehmen, ihm besondere Leckerchen kaufen und ihn mit Hildas hausgemachter Pie füttern, wenn Sam nicht hinguckte. Das war ein Hundeleben.
»Welche Schande«, murmelte Sam vor sich hin.
Sam versuchte erneut, seine Aktentasche, die Blumen, den Wein und die Pizza irgendwie zu jonglieren, was ihm sogar gelang. Aber dann fehlte ihm doch wieder eine Hand. Er hatte vergessen, dass der Zündschlüssel noch in der Zündung steckte.
Zum Teufel damit! Falls wirklich jemand vorbeikommen und die Absicht haben sollte, einen fünf Jahre alten Ford Explorer zu stehlen, der über einhunderttausend Meilen auf dem Buckel hatte und Öl verlor, bei dem die Vorderbremsen eingestellt werden mussten und der Motor einer Generalüberholung bedurfte, dann bitte. Er würde ihm sogar noch einen Gefallen damit tun.
Nachdem er es geschafft hatte, sich selbst und alles Übrige aus dem Wagen zu hieven, hätte er am liebsten die Fahrertür mit dem Fuß zugeknallt. Aber er beherrschte sich und stupste sie mit dem Ellbogen zu. Er war sich ziemlich sicher, dabei den Ärmel seines marineblauen Anzugs beschmutzt zu haben.
Ein paar Häuser die Straße hinunter bewegten sich die Vorhänge an einem Fenster im Obergeschoss. Gegenüber der Allee, 33 East Street, wässerte ein Mann seine Petunien. Zwei Frauen mit Kaffeetassen in der Hand unterhielten sich über ihren gemeinsamen Gartenzaun hinweg. Eine Gruppe
Weitere Kostenlose Bücher