Kuess mich toedlich
lediglich in den Wahnsinn zu treiben, töten konnte sie nicht. Ben hatte recht behalten, es war einfach nicht in ihr. »Ich verspreche dir«, sagte sie, während sich ihr Blick langsam klärte, aber ihr Herz noch immer schwer blieb, »das war das letzte Mal. Ich habe es versucht, aber ich konnte es nicht zu Ende bringen .«
Ben nahm sie fest in den Arm. Sarah vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter und versuchte, an nichts zu denken, sich an nichts zu erinnern, atmete nur seinen Geruch ein und ließ sich von seiner Wärme trösten.
»Es ist alles in Ordnung. Es ist vorbei. Du hast getan, was du konntest .« Auch Ben zog sie fest an sich. Sarah spürte, wie sehr er sie brauchte.
»Ist er jetzt wirklich tot ?«
»Er ist tot«, sagte er nüchtern. »Mach mir nie wieder solche Angst .« Ben zitterte leicht. »Nie wieder, hörst du ?«
»Können wir jetzt endlich gehen? Ich will weg von hier«, bat sie ihn. Warum sie weinte, wusste sie nicht, aber es fühlte sich gut an. Ben half ihr, aufzustehen. Als er merkte, dass sie schwach auf den Beinen war, hob er sie hoch und trug sie zum Auto. Er bettete sie vorsichtig in den Sitz und deckte sie mit seiner Jacke zu. Von ihrem Sitz aus sah sie, dass Ben nicht in den Wagen stieg, sondern zu den beiden Leichen zurückkehrte. Er nahm das Tablet aus Michaels Tasche und trat mit seinen schweren Schuhen auf den Bildschirm. Er drückte seinen Absatz so fest darauf, als wollte er es in Grund und Boden stampfen.
»Nie wieder«, versprach er sich, als er die Reste in die Glut warf. Ben kam zum Wagen, küsste sie auf die Stirn und fuhr Sarah weit, weit weg. Er nahm ihre Hand und ließ sie nicht los, auch nicht, als sie langsam in den Schlaf sank.
Epilog
Sechs Monate später
S arah stand vor einer Leinwand. Sie verzog ihren Mund und atmete tief durch. Seit vier Tagen schon quälte sie dieses verdammte Bild. Egal, wie sehr sie es auch versuchte, sie bekam die Farbnuancen nicht so hin, wie sie sie in ihrem Kopf sah. Aber sie war auch nicht davon ausgegangen, es würde leicht werden, Gefühlsströme zu malen. Seit sie den Malkurs im Frauengefängnis leitete, neben ihrem Job als Vorleserin am Wochenende, war ihre größte Erfüllung und Frustration das Kontrollieren ihrer Gabe im Umgang mit den Menschen in ihrem Leben, vor allem bei den Insassen der Haftanstalt. Anstatt darüber zu sprechen und ihrer Andersartigkeit den größten Raum in ihrem ansonsten herrlich normalen Leben zu geben, hatte sie angefangen, zu malen. Seither waren auch die Albträume verschwunden. Der Neuanfang in Irland war nicht leicht gewesen, aber Ben hatte dafür gesorgt, dass sie hier gut und sicher leben konnten. Er wollte auf Nummer sicher gehen, schließlich kannten auch andere Familienzellen ihre Gesichter. Für ihn war die Annahme einer neuen Identität überlebensnotwendig. Sich an die Sprache zu gewöhnen, und daran, das Leben eines Verstorbenen zu führen, war ihr dennoch nicht leicht gefallen. Nach ihrer Rückkehr aus Kairo hatte Ben zum letzten Mal seine familienfreien Schwarzmarktkontakte genutzt und ihnen zwei irische Identitäten besorgt. Seither lebte sie das Leben von Sarah Anita O´Day und teilte alles mit einem gewissen Benjamin Mulligan. Ihr rotes Haar und ihre angeblichen Studienjahre in den USA hatten ihre Umgebung bisher überzeugt und erklärten ihre merkwürdige englische Aussprache. Ben hatte ohnehin kaum Schwierigkeiten, Menschen zu überzeugen. Sein irischer Dialekt hatte schon nach wenigen Wochen perfekt geklungen. Für ihn war dieser Neuanfang ein wahr gewordener Traum, den er mit allen Mitteln verteidigen würde. Das wusste Sarah mit jeder Faser ihres Herzens. Nur noch in ihren Bildern beschäftigte sie sich mit der Vergangenheit. Doch ihr Leben gehörte nun ihrer Zukunft, ihrer Zukunft mit Ben und …
»Ich bin zu Hause«, rief ihr eine männliche Stimme zu, deren Klang sie immer noch glücklich machte. Ben war wieder da. Seit er die Zusage von den Streetworkern erhalten hatte, eine Arbeit, die ihm viel bedeutete, kam er oft später.
Ben umarmte sie von hinten, ignorierte die Farbflecken und den beißenden Geruch und begann sanft ihren Nacken zu küssen. Er trug die Haare seit einiger Zeit etwas länger, was ihm sehr gut stand. Der kurz geschorene Männerschnitt gehörte ebenso der Vergangenheit an wie das Leben auf der Flucht.
»Warum hast du nicht auf meine Nachrichten geantwortet, Frau ?«
Er liebte es noch immer, sie damit aufzuziehen, dass sie ihn erst heiraten
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