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Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Titel: Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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eine verdammt gute Idee. Also dann los, wir müssen uns beeilen. Ihr beide tragt sie auf den Hof, und ich hole die Säge. Aber zieht zuerst die Schubladen raus.»
    Wenige Minuten später hatten Claud und Bert die Kommode hinausgeschafft und sie mitten in dem Hühnerdreck und dem Kuhmist auf den Kopf gestellt. In der Ferne, auf halbem Wege zwischen Hof und Straße, sahen sie eine kleine schwarze Gestalt dahineilen. Sie schauten ihr nach. Die Gestalt benahm sich einigermaßen komisch. Von Zeit zu Zeit fiel sie in Trab, dann wieder hüpfte sie auf einem Bein oder vollführte Luftsprünge, und auf einmal schienen Töne eines lustigen Liedchens über die Wiese zu dringen.
    «Bei dem ist eine Schraube locker», meinte Claud lachend. Bert grinste vielsagend, und sein schlimmes Auge rollte langsam hin und her.
    Rummins, plump wie ein Frosch, kam vom Schuppen herübergewatschelt. Claud nahm ihm die große Säge ab und machte sich ans Werk.
    «Dicht absägen», sagte Rummins. «Sie wissen ja, er braucht sie für einen anderen Tisch.»
    Das Mahagoniholz war hart und sehr trocken. Feiner roter Staub sprühte von dem Blatt der Säge und fiel sanft zu Boden. Ein Bein nach dem anderen löste sich, und als alle abgesägt waren, bückte sich Bert und legte sie sorgsam in eine Reihe.
    Claud trat zurück, um das Ergebnis seiner Arbeit zu betrachten. Eine längere Pause entstand.
    «Nur eine Frage, Mr.   Rummins», sagte er schließlich. «Auch so, wie es jetzt ist – könnten Sie dieses Ungetüm hinten in einen Wagen laden?»
    «Müsste schon ein Kombiwagen sein.»
    «Richtig!», rief Claud. «Aber Geistliche fahren keine Kombiwagen. Die haben doch allerhöchstens einen Morris Acht oder einen Austin Sieben.»
    «Er will ja nur die Beine», erwiderte Rummins. «Wenn das Übrige nicht hineingeht, kann er’s hier lassen. Hauptsache, er hat die Beine, dann wird er schon zufrieden sein.»
    «Das glauben Sie doch selbst nicht, Mr.   Rummins», sagte Claud geduldig. «Sie wissen ganz genau, dass er vom Preis was abhandeln wird, wenn er nicht jedes kleine Stückchen mitkriegt. In Gelddingen sind alle Pfarrer gerieben, das steht nun mal fest. Und besonders dieser alte Knabe. Aber was halten Sie davon, wenn wir ihm sein Brennholz fix und fertig mitgeben? Wo haben Sie Ihre Axt?»
    «Ja, das ist wohl das Beste», meinte Rummins. «Los, Bert, hol die Axt her.»
    Bert ging in den Schuppen und kam mit einer großen Holzfälleraxt zurück. Claud spuckte in die Hände, rieb sie aneinander, ergriff die Axt, schwang sie hoch in die Luft und ließ sie auf die beinlose Kommode niedersausen.
    Die Arbeit war schwer, und es dauerte mehrere Minuten, bis er das Möbelstück kurz und klein geschlagen hatte.
    «Eins kann ich euch sagen», verkündete er und wischte sich dabei den Schweiß von der Stirn. «Der Pfarrer mag reden, was er will, aber der Mann, der diese Kommode gebaut hat, war ein verflucht guter Tischler.»
    «Wir haben’s gerade noch geschafft», rief Rummins. «Da kommt er!»

Mrs.   Bixby und der Mantel des Obersts
    Amerika ist das Land der reichen Frauen. Schon jetzt besitzen sie fünfundachtzig Prozent des Nationalvermögens. Bald wird es ihnen ganz gehören. Die Scheidung ist ein lukratives Unternehmen geworden, einfach zu arrangieren, leicht zu vergessen; ehrgeizige Frauen können diesen Weg so oft beschreiten, wie sie Lust haben, und dabei ihren Gewinn ins Ungemessene steigern. Auch der Tod des Ehemannes ist durchaus rentabel, und manche Damen ziehen es vor, sich an diese Methode zu halten. Sie wissen, dass die Wartezeit nicht allzu lang sein wird, denn Überarbeitung und nervöse Belastung werden den armen Teufel bald fertigmachen, sodass er an seinem Schreibtisch stirbt, in der einen Hand eine Flasche mit anregenden Tropfen, in der anderen eine Schachtel mit Beruhigungspillen.
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