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Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Titel: Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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vom Gestell und wärmst es. Eine kleine Hilfe ist das doch, nicht wahr?»
    Sie erhob sich von den Knien, trat zu ihm und küsste ihn auf die Wange. «Du bist so gut», sagte sie. «Mit jedem Tag, den ich dich kenne, liebe ich dich mehr.»
    Als Albert nachmittags draußen im Sonnenschein an seinen Bienenkörben arbeitete, hörte er Mabel vom Hause her nach ihm rufen.
    «Albert!», schrie sie. «Albert, wo bist du?» Sie kam durch die Butterblumen auf ihn zugerannt.
    Er lief ihr entgegen und dachte, es sei ein Unglück geschehen.
    «Oh, Albert! Rate mal!»
    «Was ist denn los?»
    «Eben habe ich ihr die Zweiuhrflasche gegeben, und sie hat alles ausgetrunken.»
    «Nein!»
    «Jeden Tropfen! Ach, ich bin so glücklich, Albert! Jetzt hat sie ’s überstanden. Wie du gesagt hast, sie ist über den Berg.» Sie fiel ihm um den Hals und drückte ihn an sich, während er ihr auf den Rücken klopfte und lachend sagte, was für eine wundervolle kleine Mutter sie sei.
    «Willst du beim nächsten Mal hereinkommen und aufpassen, ob sie wieder so viel trinkt, Albert?»
    Er versicherte, das werde er sich um keinen Preis entgehen lassen, und sie umarmte ihn noch einmal, drehte sich um und lief zurück zum Haus. Unterwegs hüpfte und sang sie in einem fort.
    Natürlich lag eine gewisse Spannung in der Luft, als die Zeit der Sechsuhrflasche herankam. Schon um halb sechs saßen die Eltern im Wohnzimmer und warteten auf den großen Augenblick. Das fertige Fläschchen stand in einem Topf mit warmem Wasser auf dem Kamin. Das Baby schlief in seinem Körbchen auf dem Sofa.
    Zwanzig Minuten vor sechs erwachte es und begann aus Leibeskräften zu schreien.
    «Siehst du wohl!», rief Mrs.   Taylor. «Sie will ihr Fläschchen. Nimm sie rasch auf, Albert, und bring sie mir her. Aber erst gib mir die Flasche.» Er holte die Flasche und legte dann seiner Frau das Kind in den Schoß. Vorsichtig berührte sie die Lippen des Babys mit dem Sauger. Die Kleine schnappte sofort danach und fing an, gierig zu trinken.
    «Oh, Albert, ist das nicht herrlich?»
    «Großartig ist es, Mabel.»
    Nach sieben oder acht Minuten war der Inhalt der Flasche restlos in der Kehle des Kindes verschwunden.
    «Ei, du tüchtiges Mädchen», lobte Mrs.   Taylor. «Wieder vier Unzen.»
    Albert Taylor beugte sich in seinem Stuhl vor und betrachtete prüfend das kleine Gesicht. «Weißt du was», sagte er, «mir scheint, sie hat schon ein bisschen zugenommen. Was meinst du?»
    Die Mutter schaute auf das Kind hinab.
    «Kommt sie dir nicht größer und dicker als gestern vor, Mabel?»
    «Ich bin nicht sicher, Albert. Vielleicht hast du recht – obgleich in so kurzer Zeit von wirklichem Zunehmen nicht die Rede sein kann. Nun, das wichtigste ist, dass sie jetzt richtig trinkt.»
    «Sie ist über den Berg», wiederholte Albert. «Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen mehr um sie zu machen.»
    «Gewiss nicht.»
    «Möchtest du, dass ich das Bettchen wieder in unser Schlafzimmer schaffe, Mabel?»
    «Ja, bitte», erwiderte sie.
    Albert ging hinauf und stellte das Bettchen an seinen alten Platz. Mrs.   Taylor folgte ihm mit dem Kind, legte es, nachdem sie die Windeln gewechselt hatte, zum Schlafen nieder und deckte es sorgsam zu.
    «Sieht sie nicht reizend aus, Albert?», flüsterte sie. «Ist unser Kind nicht das schönste Baby, das du in deinem ganzen Leben gesehen hast?»
    «Komm jetzt, Mabel», sagte er. «Komm und koche uns etwas zu essen. Wir haben’s beide nötig.»
    Nach Tisch setzten sich die Eltern im Wohnzimmer in ihre Sessel, Albert mit seiner Zeitschrift und seiner Pfeife, Mrs.   Taylor mit ihrem Strickzeug. Diesmal aber war die Atmosphäre ganz anders als am Abend zuvor. Alle Spannungen hatten sich plötzlich in nichts aufgelöst. Mrs.   Taylors hübsches ovales Gesicht strahlte vor Freude, ihre Wangen waren rosig, ihre Augen glänzten, und um den Mund lag ein kleines träumerisches Lächeln. Ab und zu sah sie von ihrer Handarbeit auf, um Albert einen liebevollen Blick zuzuwerfen. Gelegentlich verstummte das Klappern der Nadeln für einige Sekunden, und dann saß sie mäuschenstill, schaute zur Decke hinauf, lauschte, ob oben ein Schrei oder ein Wimmern ertönte. Doch nichts rührte sich im Schlafzimmer.
    «Albert», begann sie nach einer Weile.
    «Ja, Liebste?»
    «Was wolltest du mir gestern Abend erzählen, als du ins Schlafzimmer gestürzt kamst? Du sagtest, du hättest eine Idee wegen des Babys.»
    Albert Taylor ließ die Zeitschrift sinken und sah seine Frau

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