Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)
Gold, verstehst du!»
Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon er sprach.
«Ich kann’s dir beweisen!» Er sprang auf und ging zu dem großen Bücherschrank, in dem er seine Bienenliteratur verwahrte. Im obersten Fach waren sämtliche Nummern der Amerikanischen Bienenzeitschrift sauber neben denen der Britischen Bienenzeitschrift und anderen Fachblättern aufgeschichtet. Albert nahm das neueste Heft der Amerikanischen Bienenzeitschrift heraus und schlug eine Seite mit kleinen Anzeigen auf.
«Bitte sehr», rief er. «Genau, wie ich gesagt habe. ‹Wir verkaufen Gelée Royale zum Großhandelspreis von vierhundertachtzig Dollar je Pfunddose.›»
Er reichte ihr das Heft, damit sie sich selbst überzeugen konnte.
«Glaubst du mir nun? Das ist eine Firma in New York, Mabel. Steht alles wörtlich da.»
«Es steht aber nicht da, dass man es einem Baby in die Milch rühren darf», antwortete sie. «Ich weiß wirklich nicht, Albert, was du dir dabei gedacht hast.»
«Das Zeug hilft ihr doch, oder nicht?»
«So sicher bin ich da gar nicht mehr.»
«Sei nicht albern, Mabel. Du weißt, dass es hilft.»
«Dann müssten es andere Leute ihren Kindern ja auch geben.»
«Ich sage dir doch, dass es zu teuer ist», antwortete er. «Nur so zum Einnehmen kann sich kein Mensch in der Welt reines Gelée Royale leisten – höchstens vielleicht ein oder zwei Multimillionäre. Die Einzigen, die es kaufen, sind große Handelsgesellschaften, die Hautcreme und andere Schönheitsmittel für Frauen herstellen. Sie mischen ganz wenig davon in eine große Dose Creme, und das geht dann zu enormen Preisen ab wie warme Semmeln. Es soll die Runzeln glätten.»
«Und stimmt das?»
«Du lieber Himmel, wie soll ich das wissen, Mabel? Aber darauf» – er kehrte zu seinem Sessel zurück –, «darauf kommt es nicht an. Wichtig ist nur, dass dieses Gelée Royale unserer Kleinen in kürzester Zeit geholfen hat, und deshalb finde ich, wir sollten es ihr auch weiterhin geben. Nein, unterbrich mich nicht, Mabel. Lass mich ausreden. Ich habe draußen zweihundertvierzig Bienenkörbe, und wenn ich hundert davon auf die Produktion von Gelée Royale umstelle, dann können wir ihr so viel geben, wie sie braucht.»
«Albert Taylor», rief seine Frau und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, «hast du denn den Verstand verloren?»
«Hör mich doch erst einmal an.»
«Ich verbiete dir das», sagte sie energisch. «Von diesem schrecklichen Gelée bekommt mein Kind keinen Tropfen mehr, verstanden?»
«Aber Mabel …»
«Außerdem hatten wir letztes Jahr eine erbärmliche Honigernte, und wenn du jetzt mit deinen Bienenkörben Unsinn machst, ist gar nicht abzusehen, wohin das führt.»
«Meine Bienenkörbe sind in Ordnung, Mabel.»
«Du weißt genau, dass wir letztes Jahr nur die Hälfte einer normalen Ernte hatten.»
«Tu mir einen Gefallen», bat er. «Lass mich etwas von der wunderbaren Wirkung dieser Substanz erzählen.»
«Du hast überhaupt noch nicht gesagt, was für ein Zeug das ist.»
«Schön, Mabel, auch das sollst du erfahren. Willst du zuhören? Willst du mir erlauben, darüber zu sprechen?»
Seufzend griff sie nach ihrem Strickzeug. «Also rede dir’s von der Seele, Albert. Fang an.»
Er zögerte, denn er wusste nicht recht, wie er beginnen sollte. Es war nicht leicht, so etwas zu erklären, wenn der andere keine Ahnung von Bienenzucht hatte.
«Du weißt wohl», sagte er, «dass jeder Schwarm nur eine Königin hat?»
«Ja.»
«Und dass diese Königin alle Eier legt?»
«Ja, Lieber, so viel weiß ich.»
«Schön. Die Königin kann zwei Arten von Eiern legen. Das wird dir neu sein, aber sie kann es. Wir nennen das eines der Wunder des Bienenstocks. Sie legt Eier, aus denen Drohnen hervorgehen, und sie legt Eier, aus denen Arbeitsbienen schlüpfen. Wenn das kein Wunder ist, Mabel …»
«Ja, Albert, wird schon so sein.»
«Die Drohnen sind die Männchen. Um die brauchen wir uns nicht zu kümmern. Die Arbeitsbienen sind alle weiblich. Und auch die Königin ist natürlich ein Weibchen. Aber es gibt da einen wichtigen Unterschied. Die Arbeiterinnen sind verkümmerte Weibchen, wenn du verstehst, was ich meine. Ihre Geschlechtsorgane sind ganz unentwickelt, während die Königin erstaunlich fruchtbar ist. Sie kann an einem einzigen Tag ihr eigenes Gewicht in Eiern legen.»
Er hielt inne, um seine Gedanken zu ordnen.
«Nun ist es so. Die Königin kriecht auf der Wabe umher und legt ihre Eier in das, was wir Zellen nennen.
Weitere Kostenlose Bücher