Küsse niemals deinen Chef! (German Edition)
die Wahrheit ankämpfst, desto zufriedener wirst du schlussendlich sein.“
Jetzt, viele Jahre nach diesem Mutter-Tochter-Gespräch, dem Vertrauensbruch und aller Qual sank Grace in einem fremden Land, das sie inzwischen als ihre Heimat bezeichnete, kraftlos auf ihre moderne Couch. Sie löste den strengen Knoten, sodass ihr dichtes, glänzendes Haar locker über den Rücken hinabfiel. Das tat sie nur, wenn sie ganz allein war. Ansonsten hielt sie die wilde Lockenmähne immer fest im Zaum. Sie erinnerte Grace zu sehr an das Mädchen, das sie einmal gewesen war. Besser, sie tat so, als hätte es nie existiert.
Ich bin meine eigene Droge, hatte Lucas Wolfe gesagt, und sie hielt es für eine perfekte Beschreibung des gefährlichen und gleichzeitig beängstigend anziehenden Gefühlszustandes, den sie hinter seiner frivolen Fassade erahnte.
Angesichts des traurigen und deprimierenden Schicksals ihrer Mutter hatte Grace sich geschworen, Männer wie ihn zu meiden. Jede Art von Kontakt zu Lucas Wolfe konnte nur ein gebrochenes Herz und trostlose Einsamkeit zur Folge haben.
Mary-Lynn hatte nie den Männern die Schuld gegeben, sondern immer nur sich selbst und sich dabei jeden Tag ein Stück mehr verloren und aufgegeben. Bis sie auf den wirren Gedanken verfiel, ihre Tochter für ihr Elend verantwortlich zu machen.
Grace schleuderte ihre Pumps von den Füßen und rollte sich auf dem Sofa zusammen. Sie konnte es sich einfach nicht leisten, einen Mann zwischen sich und ihre Karriere kommen zu lassen. Und schon gar keinen wie Lucas Wolfe! Ab sofort würde sie sich nur auf das bevorstehende große Jubiläum konzentrieren und alles andere ausblenden.
Warum fiel ihr das nur so schwer? Der Gedanke, dass sie genetisch vorbelastet und auch nur im Ansatz so sein könnte wie ihre schwache Mutter, ängstigte sie fast zu Tode. Dabei hatte sie sich nach allem, was damals in der Highschool geschehen war, und nachdem sie sich so massiv verändert hatte, eigentlich für immun gehalten.
Sie war anders als ihre Mutter! Ganz egal, was Mary-Lynn ihr hinterhergeschrien hatte, als sie ihre Tochter wie Abfall auf die Straße geworfen hatte.
Unwillkürlich ballte Grace die Hände zu Fäusten.
Ich werde es anders und besser machen als sie! Und ich werde Erfolg haben!
Gleich morgen werde ich einen Neustart machen! nahm sie sich vor, schloss erschöpft die Augen und ließ für einen Moment die eiserne Rüstung fallen, mit der sie sich vor der Außenwelt und den eigenen Gefühlen schützte. In hilfloser Faszination gab sie sich dem Gefühl hin, über allem zu schweben, verfolgt von einem erotisch lasziven Lächeln, das sie gleichzeitig zu streicheln und zu verspotten schien.
Morgen … morgen werde ich stark sein, aber nicht jetzt. Nicht heute Nacht …
3. KAPITEL
„Ich erinnere mich an Sie!“ Mit einem Siegerlächeln auf den Lippen platzte Lucas wieder ohne anzuklopfen in Graces Büro. „Übers Wochenende ist es mir eingefallen.“
Es war Montagmorgen, kurz vor elf. Der Blick, mit dem Grace ihr neues Teammitglied musterte, zeugte nicht gerade von Begeisterung. Mit steinernem Gesicht lehnte sie sich in ihrem Chefsessel zurück.
Wie brachte er es nur fertig, so unverschämt vital und leger in diesen sündhaft teuren italienischen Designeranzügen auszusehen? Wie ein wilder, grünäugiger Jaguar inmitten einer Horde zahmer, behäbiger Hauskatzen. Das dunkle Haar war entschieden zu lang, um als konservativ zu gelten, besonders im Büro. Außerdem stand es nach allen Seiten ab. Das hielt Grace allerdings nicht für einen Zufall, sondern für einen ebenso sorgsam arrangierten Showeffekt wie seine gesamte Garderobe und das forsche Auftreten.
Die Blessuren in dem markanten Piratengesicht waren inzwischen verblasst. Davon abgesehen erschienen ihr Körpergröße, athletische Figur und maskuline Ausstrahlung noch viel imposanter und beunruhigender als auf den Hochglanzfotos der Gazetten. Lucas Wolfe wirkte wie das fleischgewordene Meisterwerk eines talentierten Künstlers.
„Mr Wolfe …“, begrüßte sie ihn mit reduziertem Lächeln. „Ich habe Verständnis dafür, dass Ihre Tätigkeit in unserem Haus eine neue Erfahrung für Sie bedeutet, doch eigentlich wird vom gesamten Team erwartet, dass es pünktlich um neun Uhr morgens antritt. Ich befürchte, das gilt auch für Sie.“
„Auf Samanthas Modenschau!“, erklärte er triumphierend, ohne auf ihre sorgfältig formulierte Rüge einzugehen. „Und zwar als ich mir einen neuen Drink geholt
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