Kuesse, so sueß wie spanischer Wein
unter den vielen gut gekleideten Herren niemanden, der vielleicht der Gastgeber hätte sein können. Sollte sie nach ihm fragen? Dann stellte sie sich vor, wie sie daraufhin gemustert werden würde. Ein Kellner bot ihr einen Drink an, und sie nahm das erstbeste Glas und nippte daran. Um sie herum wurde nur Spanisch gesprochen, das sie leider nicht verstand.
Der Drink war ihr zu stark. Rose stellte das Glas auf dem nächstbesten Tisch ab und schlenderte so unauffällig wie möglich zu den großen Glastüren, die auf einen Balkon führten.
Ah, das war schon besser, kühl und frisch, mit spektakulärem Blick. Die Bucht, die sie schon vor der verheerenden Begegnung mit dem anmaßenden Fremden bewundert hatte, er-streckte sich vor Rose. Die Berge links und rechts davon bildeten bei dieser Beleuchtung lediglich eine schattenhafte Kulisse. Auf dem Wasser spiegelte sich der Vollmond, genauso wie die Sonne am Tage. Es fehlte eigentlich nur der attraktive Mann, der den Film vernichtet hatte.
Na ja, dass der Mann nicht da war, bedeutete keinen großen Verlust, und Rose hoffte, ihm nie wieder begegnen zu müssen. Eine Begegnung war auch ziemlich unwahrscheinlich, denn Männer wie er hielten sich wohl kaum längere Zeit in einem kleinen Urlaubsnest auf. Rose fühlte eine gewisse Beklommenheit, die sie leicht beben ließ, und schob es auf die leicht auf-kommende Brise. Was konnte es auch anderes sein?
„Miss Grey?"
Die Stimme war tief und wohlklingend und Rose nur zu gut bekannt. Sie drehte sich um, dankbar, dass ihr Gesicht im Schatten lag. Vielleicht würde der Mann sie nicht erkennen.
Doch sie ahnte, dass diesem Mann keine Sekunde lang etwas verborgen bleiben würde.
„Sie", Sagte er mit einer eisigen Ruhe, die Rose erschauern ließ. „Was machen Sie denn hier?"
„Ich könnte Sie das Gleiche fragen. Wieso sind Sie mir gefolgt?"
Er beantwortete ihre Frage genauso wenig wie Rose seine.
„Sie sind offenbar Miss Grey von Design for Today", meinte er nach einer Weile lakonisch.
„Und Sie sind der Gastgeber Adam Ferrier." Leider konnte es sich wohl um keinen anderen handeln.
„In der Tat", sagte er kühl. „Ich habe geahnt, dass ich Ihnen nicht zum ersten und letzten Mal begegnet bin. Aber dass ich Sie hier wieder sehen würde, ist das Letzte, womit ich gerechnet habe."
„Ich bin ebenfalls sehr erfreut", erwiderte sie ironisch. „Den ganzen Tag lang habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich es dem hohen Mr. Ferrier am besten erklären soll, dass ich nicht die gewünschten Bilder machen kann, weil ein Flegel meinen Apparat ruiniert hat.
Wenigstens kann ich mir nun eine Erklärung sparen." Rose warf den Kopf zurück, sich völlig unbewusst, dass das Mondlicht silbern auf ihren Locken glänzte, die weich ihr schmales Gesicht umrahmten.
„Sie brauchten den Fotoapparat also tatsächlich für berufliche Zwecke."
Rose nickte. Er kam einen Schritt näher, und all ihre Sinne warnten sie, dass dieser Mann ihr gefährlicher werden könnte, als ihr lieb war.
„Meinen Sie nicht auch", sagte er bedrohlich sanft, „dass es etwas unverantwortlich war, auf Firmenkosten einen Film zu verknipsen, und zwar zu Ihrem reinen Privatvergnügen?"
Rose sah ihn empört an. Sie hatte ihn richtig eingeschätzt. Nicht ein Wort verlor er darüber, dass er ihren Film ruiniert hatte und der kostspielige Apparat zum Teufel war. Dieser Ferrier war offensichtlich der Meinung, dass Angriff die beste Verteidigung sei. Schön, sie, Rose, konnte das Spielchen mitmachen. Sie lächelte und trat so dicht wie möglich an Adam Ferrier heran, ohne ihn jedoch zu berühren.
„Ich konnte Ihnen nicht widerstehen", flüsterte sie. „Sie gaben ein so tolles Bild ab, wie Sie da am Geländer standen."
Seine Augen glitzerten plötzlich, und sie wich schnell etwas zurück. Der Wunsch, ihn zu verspotten, war unwiderstehlich, aber überhaupt nicht klug gewesen, und sie sollte dem Mann so schnell wie möglich erklären, warum sie ihn hatte fotografieren wollen.
Aber es blieb ihr keine Zeit für Erklärungen, denn Rose fühlte sich von seinen Armen umschlungen und ganz fest an seinen Körper gezogen. Sie konnte nur noch mit einem selbst für sie schwach klingenden „Nein!" protestieren, ehe sie Adam Ferriers Lippen auf ihrem Mund spürte.
Rose war schon oft geküsst worden - sie war dreiundzwanzig, und Männer fanden sie attraktiv -, aber kein Kuss hatte den Effekt wie jetzt dieser. Die Welt schien plötzlich stillzustehen, und der Mond war offenbar, vom
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