Kuessen al dente - Roman
jede einzelne frustrierende Hürde wert, meine Tochter endlich in den Armen halten zu dürfen.«
Clem, die ein Faible für rührende Geschichten hatte, starrte Mutter und Kind sehnsüchtig und mit einem verträumten Lächeln an. Obwohl sonst so tough, war sie mitunter auch sehr nahe am Wasser gebaut.
»Georgia, lassen Sie mir den Businessplan doch einfach da, dann bitte ich meinen Anwalt später, ihn durchzusehen«, schlug Charlotte vor. »Aber mit den Siebzigtausend können Sie rechnen. Und über die Rückzahlungsmodalitäten werden wir uns nach der Eröffnung noch einmal unterhalten.«
Während Georgia die Bedeutung von Charlottes Worten langsam klar wurde, breitete sich ein Lächeln auf ihrem
Gesicht aus. »Das ist fantastisch, Charlotte. Ich danke Ihnen tausendmal.« Ihrem eigenen Restaurant stand nun nichts mehr im Wege. Nein, falsch. Ihrem und Bernards Restaurant stand nun nichts mehr im Wege. Sie musste ihn sofort anrufen. Und den Makler. Dieser ehemalige Waschsalon in der 67. Straße wäre perfekt. Sie musste Ricky anrufen. Er konnte sofort mit dem Umbau beginnen. Sie musste ihre alten Lieferanten anrufen, auch den Typen von der Abfallbeseitigung, den Architekten, den Bauleiter. Ach ja, und sie musste …
Charlotte erhob sich von der Couch und legte die Kleine an ihre Schulter, um ihre Gäste zur Tür zu bringen. »Wenn alles gut läuft, ist es bestimmt sinnvoll, anschließend gleich in euer nächstes Restaurant zu investieren. Ich bin nämlich mehr an Wachstumsprojekten interessiert als an Unternehmen mit fixen Renditen. Und so eines scheint das Eure ja zu sein.«
»Ja, das sind wir«, erwiderte Georgia. Ein Adrenalinschub jagte durch ihren Körper, vielleicht waren es auch Endorphine, jedenfalls fühlte es sich an wie der Kick nach dem ersten Glas eines richtig guten Champagners.
Charlotte Troy, Single, Kosmetik-Mogulin, MOMA-Treuhänderin, allgegenwärtiger Star der Gesellschaftsseiten und ehemaliges Grateful-Dead-Groupie hatte mit über vierzig ein kleines Mädchen aus Vietnam adoptiert. Claudia Cavalli hatte sich verlobt, wurde mit zweiundvierzig schwanger und managte nebenbei etliche sehr erfolgreiche Restaurants. Georgia war dreiunddreißig. Sie hatte noch reichlich Zeit, ihr Restaurant zu eröffnen, und noch eines und noch eines, einen Mann kennenzulernen, sich hoffnungslos zu verlieben und eine Familie zu gründen. Oder nicht. Jedenfalls gab es einige Möglichkeiten. Jede Menge Möglichkeiten.
Die Happy Hour wurde gerade eingeläutet, und Georgia beeilte sich, eine freie Sitznische zu ergattern, während Clem schon an die Bar flitzte. In einer Stadt, wo die Cocktails zweiundzwanzig Dollar kosteten, musste man die Gelegenheit nutzen, zwei Drinks für den Preis von einem zu bekommen, und daher füllte sich das F&A auch blitzschnell mit einer bunten Schar von College-Kids, jungen Werbefritzen, arbeitslosen Schauspielern und den etwas angegrauten Männern in den sogenannten besten Jahren, für die das Trinken eine sportliche Angelegenheit war.
Von ihrer Nische aus erspähte Georgia Bernards charakteristischen roten Schal und die marineblaue Jacke. Sie winkte ihm zu und beobachtete lächelnd, wie er sich einen Weg durch die Menge bahnte.
»Georgia«, platzte er heraus, kaum dass er zu ihr vorgedrungen war. »Du hast es geschafft!«
»Nein, Bernard«, korrigierte sie ihn. » Wir haben es geschafft. «
Lo kam in diesem Moment ebenfalls in die Kneipe und war mit ihren Overknee-Stiefeln, den Leggings und dem kurzen Pelzjäckchen eindeutig overdressed und wirkte etwas deplatziert. Nachdem sie ihren Traum aufgegeben hatte, die nächste Norah Jones zu werden, arbeitete sie jetzt in einer Modeagentur und identifizierte sich offenbar so mit diesem Job, dass sie nur noch perfekt gestylt das Haus verließ.
»Darf ich fragen, warum wir euer Milliarden-Dollar-Darlehen in dieser drittklassigen Kneipe feiern?«
»Weil«, erklärte Georgia, »Bernard und ich in dieser Kneipe beschlossen haben, Partner zu werden, und wir hier zusammengekratzt haben, was die Grundlage für unseren Businessplan wurde. Wir verdanken dem guten alten F&A eine Menge.«
Clem balancierte ein Tablett mit zwei Krügen Bier und vier Gläsern an den Tisch.
»Zwei Krüge?«, wunderte sich Bernard.
»Ja, es ist Happy Hour, und ich habe nicht vor, mich noch einmal an der Bar um Getränke zu prügeln. Rutsch mal ein Stück, Georgia.« Sie schlüpfte auf die Sitzbank und schenkte die Gläser voll. »Trinken wir auf unser Erfolgsgirl«,
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