Kuessen kann schon mal passieren
ich hätte es leichter, täuschst du dich«, sagte er. »Meine Mutter hält mir ständig vor, wie tough du bist.«
»Tough? Was soll an mir denn tough sein?«
»Hab ich sie auch gefragt.«
»Idiot!« Ich verpasste ihm einen zarten Magenschwinger.
»Im Ernst. Du putzt dein Zimmer selbst. Das findet sie riesig.«
»Und du? Lässt du etwa putzen?«
»Na klar. Ich meine, wozu hat Gott Mütter erschaffen? Für die Hausarbeit. Das ist ihre Berufung.«
»Was bist du bloà für ein ekelhafter Macho!«
Ich war enttäuscht und lief schneller, aber Luca lieà sich nicht abhängen. »Reingefallen! Ich hab nur Spaà gemacht.« Sein Lachen hallte in der Neubausiedlung. »Aber hör mal ⦠Du willst nicht zufällig bei mir putzen?«
»Idiot!«
Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinanderher. Mit der Dunkelheit, die sich über den Ort senkte, wurden auch dunkle Wolken herangetrieben. Wahrscheinlich würde es gleich noch regnen.
Wir waren schon kurz vor meiner Haustür, als Luca mich fragte, ob ich zufällig wisse, wo man in diesem Kaff jobben könne.
Ich zückte einen Fünfer. »Fürs Kino. Wenn du so knapp bei Kasse bist.«
Luca hob abwehrend die Hände. »So war das nicht gemeint. Ich hab euch eingeladen und dabei bleibt es auch.« Er lächelte verlegen. »Die zwei Euro und die Kohle für die Getränke kriegt ihr wieder. Wenn ich erst was verdient hab.«
Ich sah ihn überrascht an. »Du bist echt blank? Ich dachte immer, du schwimmst nur so im Geld.«
»Falsch gedacht.« Er klang nicht ganz so eingeschnappt wie vorhin, als ich seinen vermeintlichen Goldesel-Papi ins Spiel gebracht hatte, aber sein Stimmungsbarometer rutschte dennoch in den Keller.
Ich hakte nicht weiter nach â es ging mich schlieÃlich auch nichts an â und gab ihm bloà den Tipp, sich bei meinem Onkel im Blumenladen zu melden. Ab und zu beschäftigte er Aushilfen, die ihm auf dem GroÃmarkt zur Hand gingen oder BlumensträuÃe austrugen. Allerdings würde er keine Spitzenlöhne zahlen.
»Ganz egal«, sagte Luca. »Job ist Job.«
Ich versprach ihm, morgen Onkel Pauls Telefonnummer mitzubringen, dann verabschiedeten wir uns und ich schloss die Haustür auf. Auch wenn ich Luca inzwischen ganz gut zu kennen glaubte, gab er mir doch immer wieder Rätsel auf. Wieso sah er so nach Schotter aus und hatte doch keinen Cent in der Tasche?
5.
An einem Sonntagvormittag â meine Mutter war mit Anna Pisani bei einem Mal-Workshop in der Heide â klingelte es und Luca stand mit geröteten Augen in der Tür. Irritiert bat ich ihn rein, und als er knappe zwei Stunden später wieder ging, versicherte er mir, dass ich seine engste, seine beste, seine allerwichtigste Freundin sei â egal was für Theorien Jade auch in die Welt posaunte. Ich stand eingequetscht zwischen Haustür und Flurregal und schluckte gegen einen Kloà an. Jade und ich waren Freundinnen â echte Freundinnen. Wir kannten uns seit unserer Kindheit, gingen durch dick und dünn, hatten Krisen durchgestanden, uns x-mal gezofft und mochten uns immer noch â oder gerade deswegen. Luca kannte ich erst seit kurzem. Auch wenn ich ihn inzwischen nicht mehr für den oberflächlichen Kotzbrocken hielt, der nur seine Markenklamotten spazieren führte und immer Recht behalten musste, wusste ich trotzdem nicht, ob ich ihn zu meinem eher überschaubaren Freundeskreis zählen wollte. Denn was hatten wir auÃer dem Schulweg, dem Unterrichtsstoff und dem Wetter in der RankestraÃe Nummer sieben gemeinsam? Ich mochte Vanilleeis, Luca Schokoladeneis. Ich liebte es, mit dem Rennrad durch die Gegend zu flitzen, er ging am liebsten gemütlich zu Fuà oder nahm besser gleich den Bus. Ich erledigte meine Hausaufgaben im Eilverfahren zwischendurch, wann es eben gerade passte, Luca konnte nachmittags keinen Schritt vor die Tür setzen, ohne erst seine Pflichten erledigt zu haben. Ich machte mir nicht viel aus Geld â wenn ich welches hatte, war es gut, wenn nicht, auch. Für Luca schien ein prall gefülltes Portemonnaie so ziemlich alles zu sein. Neben Giulia vielleicht. Aber die hatte nun wegen eines anderen überraschend mit ihm Schluss gemacht und von dem selbstbewussten, manchmal groÃspurigen Luca war nur ein Häuflein Elend zurückgeblieben, das bei mir Trost
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