Kuessen kann schon mal passieren
explodiert war, sämtliche Tulpen über Nacht die Köpfe hängen lieÃen oder ihm wieder mal eine Freundin davongelaufen war â immer hatte er einen lustigen Spruch auf den Lippen.
»Geh nur rein, Lena. Luca liegt schon nackt auf einem Bett aus Rosenblättern und wartet auf dich.«
»Wie bitte?«, fragte ich schockiert.
»Scherz!« Mein Onkel lachte schallend. »Aber ich glaube, er kann schon eine kleine Aufmunterung vertragen.«
Ich ging ins Geschäft und fand Luca in der Küchenzeile, die an den Verkaufsraum grenzte, ein dick mit Schokocreme bestrichenes Brötchen essend. Er trug ein lässiges T-Shirt mit einem Totenkopf auf der Brust. Auch wenn es mir nicht unbedingt gefiel, war es doch eine Abwechslung zu seinem sonstigen Schnösellook.
»Na endlich!«
»Vielen Dank auch, dass du mich um halb sieben geweckt hast«, gab ich etwas schroff zurück.
»Lena, mir gehtâs so dreckig«, jaulte er auf. »Ich fühle mich wie ⦠wie â¦Â« Seine Dackelaugen irrten umher und fanden keinen Halt.
»Wie ausgekotzt?«
»Schlimmer: Wie ein geschlachtetes Huhn.«
»Massentierhaltung oder Biohof?«
»Sehr witzig.«
»Also okay«, sagte ich ernst. »Ist es immer noch wegen Giulia?«
Als wäre das Huhn zum Leben erweckt worden, sprang er auf und rief: »Nimm diesen Namen nie wieder in den Mund, ja?«
»Nie wieder«, echote ich und ärgerte mich ein bisschen, dass ich überhaupt hergekommen war. Statt mich anpflaumen zu lassen, hätte ich jetzt ebenso gut mit einer Tasse Kakao auf dem Balkon sitzen und gemütlich ein Buch lesen können. »Und jetzt?«, fragte ich. »Was soll ich tun, damit es dir besser geht?«
Luca lieà sein Brötchen sinken und ein spitzbübisches Lächeln schlich sich in sein Gesicht. »Mitkommen. Auf meine Tour.«
»Vergiss es. Ich muss noch die Interpretation für Deutsch machen.«
»Du kannst meine abschreiben.« Er setzte einen herzerweichenden Bettelblick auf. »Bitte, Lena. Ich muss ins Nachbardorf. Und du liebst doch Radtouren.«
»Also gut, von mir aus«, lieà ich mich breitschlagen. Im Prinzip hatte ich auch nichts dagegen meinen Kopf auszulüften. Das war allemal besser, als ein Gedicht zu sezieren.
»Danke, Lena. Du bist eine super Freundin.« Als hätte Luca sein Ãberredungsversuch unendlich viel Kraft gekostet, lieà er seinen Kopf auf den Tisch rumsen und atmete schwer aus. Einen Moment war ich versucht ihm über den Kopf zu streichen â so hätte ich das bei Jade getan â, aber dann konnte ich mich zum Glück gerade noch beherrschen. Körperkontakt, das ging eindeutig zu weit. »Luca, alles klar?«
Mühsam hob er seinen Kopf.
»Jaklargehtschonwassolls.«
»Sag mal ⦠Willst du diese Person, deren Vorname mit G anfängt und den ich aber nicht aussprechen darf ⦠willst du diese Person eigentlich zurück?«
Luca verzog den Mund, als habe er Zahnschmerzen. »Nein, ich will diese Person, deren Vorname mit G anfängt und deren Namen weder ich noch sonst irgendjemand je wieder in den Mund nehmen darf â¦Â« Er holte tief Luft. »Ich will sie nicht zurück.«
»Und warum willst du diese Person, deren Vorname mit G anfängt und deren Namen weder ich noch du, noch sonst wer in den Mund nehmen darf, nicht zurück?«
Ich hätte wetten können, Luca würde lachen, aber nicht mal ein Mundwinkel zuckte. »Weil sie eine miese Ratte ist. Sie hat nur drauf gewartet, dass ich nach Deutschland gehe, um endlich mit Giancarlo loslegen zu können. Der hat übrigens schon das ganze letzte Schuljahr in den Startlöchern gesessen und genauso drauf gelauert, meine Freundin begrapschen zu können.«
Sicher stimmte das nicht so ganz, aber ich hatte keine Lust, über Leute zu diskutieren, die ich nicht einmal kannte.
»Luca? Abflugbereit?«, tönte Onkel Paul von nebenan.
»Komme, Chef!«
Da mein Onkel einer der wenigen Männer auf diesem Planeten war, der keinen Führerschein besaÃ, hatte er ein Fahrrad mit einem Anhänger ausgestattet und lieà seine meist noch minderjährigen Aushilfen radeln. Diesmal musste der Tischschmuck für eine goldene Hochzeit ausgeliefert werden.
Es war ein wunderschöner Tag. Irgendjemand hatte den Himmel knallblau angetuscht und nur ein paar Schäfchenwölkchen
Weitere Kostenlose Bücher