Kuessen kann schon mal passieren
nahm. Ich wollte nicht mehr die ewige Versagerin sein, das hatte ich mir fest vorgenommen, also strampelte ich mich mächtig ab. Wenige Wochen später geschah dann das Wunder, dass ich dank Lucas unermüdlichem Nachhilfe-Einsatz eine Drei in Physik und eine Zwei in Französisch schrieb. Jade, die ebenfalls nicht schlecht abgeschnitten hatte, meinte, das müsse gefeiert werden.
Die kleine Party fand bei Filippo statt, der die ersten beiden Wochen an der neuen Privatschule hinter sich gebracht hatte und wie auf Wolken schwebte. Lernen, das war nach einem Jahr harter Arbeit im Tre Stelle wie eine neue Wunderwelt für ihn. Allerdings hatte sein Vater darauf bestanden, dass er am Ende des Monats aus der teuren WG auszog und wieder zu Hause unterschlüpfte. Ein kleiner Wermutstropfen, den er wohl oder übel schlucken musste.
Da Filippo als Einziger von uns ab und zu mal den Kochlöffel schwang, hatte er sich angeboten Spaghetti aglio e olio zuzubereiten. Luca war für die Vorspeise zuständig; wir Mädchen besorgten die Getränke. Als schon der Knoblauch zusammen mit der Petersilie in der Pfanne brutzelte und einen köstlichen Duft verströmte, kam Luca endlich mit einer Vorspeise an Land.
»Was ist das denn?«, stöhnte Jade, nachdem sie die Schüssel von der Alufolie befreit hatte.
»Meeresfrüchtesalat. Hat meine Mutter gemacht.«
»Bist du noch ganz frisch? Du weiÃt doch, dass ich keine Tiere esse!«
Lucas Schultern rutschten schuldbewusst in die Höhe, dann entgegnete er kraftlos: »Aber Meeresfrüchte sind doch gar keine Tiere. Also keine richtigen jedenfalls.«
»Aber Pflanzen auch nicht gerade.« Jade knallte die Schüssel auf den hübsch gedeckten WG-Tisch. »Die Viecher hier haben mal gelebt. Sind geschwommen, haben gelacht, geliebt.«
»Und sich wahrscheinlich auch so gestritten wie wir«, meinte Luca ernüchtert.
»Trottel!«, zischte Jade.
Filippo legte den Parmesan samt Reibe auf den Tisch. »Mal im Ernst, Jade. Pflanzen leben doch letztlich auch. Die können bloà nicht schreien, wenn du sie samt Wurzel aus der Erde reiÃt.«
»Aber sie haben selten Augen, Münder und Beine.«
Ich knuffte meine Freundin versöhnlich. »Nun lass doch. Du musst ja nichts davon essen. Es gibt doch noch die leckere Pasta.«
Jade warf erst mir einen giftigen Blick zu, dann funkelte sie Luca an: »Du bist manchmal echt â¦Â« Sie suchte nach Worten. »Total der unsensible Macho.«
»Luca hat es nur gut gemeint«, versuchte Filippo zu schlichten.
»Das sieht man.« Sie setzte sich und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Und ich war mitten in der Schusslinie, ohne zu wissen, was ich tun sollte. Mich auf Lucas Seite schlagen? Damit wäre ich meiner besten Freundin in den Rücken gefallen und das wollte ich natürlich nicht.
Luca schlich geduckt zur Tür. »Fangt ruhig schon an. Ich muss mal pinkeln.«
»Das kann er immer gut«, knurrte Jade. »Konflikten aus dem Weg gehen.«
Filippo stellte den Herd ab und setzte sich zu uns. HeiÃhungrig schielten wir zur Schüssel mit den Meeresfrüchten, aber keiner von uns beiden traute sich mit dem Essen anzufangen. Also hieà es warten. Unsinn plappern. Weiter warten.
Jade riss ungeduldig ihre Papierserviette in Streifen und lauschte immer wieder in den Flur. »Wie lange kann man eigentlich pinkeln, meine Güte! Hat er vorhin das Schwimmbad leer getrunken?«
»Er braucht eben ein bisschen Zeit, um sich wieder abzuregen«, wandte Filippo ein. »Du hast ihm ja auch ganz schön zugesetzt.«
»Was weiÃt du denn schon!«
»Jetzt komm mal wieder runter, Jade!«, sagte ich. »Wir wollten uns doch einen schönen Abend machen. Ein bisschen feiern. Und uns nicht gegenseitig anpflaumen.«
»Ich weiÃ, aber ich finde Luca gerade total zum Kotzen.« Sie stand auf und ging raus. Eine Weile war es still, dann schlug eine Tür zu und aufgeregtes Gemurmel drang zu uns rüber.
»Kapierst du das?« Filippo nahm sich nun doch von der Vorspeise.
»Zickenanfall«, murmelte ich. »Hat sie manchmal. Geht aber auch wieder vorbei.«
»Zum Glück bist du nicht so, tesoro .« Er hauchte mir ein Luftküsschen zu. »Bleibst du nachher hier?«
»Wie, hier? Ãber Nacht?«
Er nickte.
»Filippo, meine Mutter â¦Â«
»Wir rufen sie an. Sie wird schon
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