Küstenfilz
Münchhausen«,
begrüßte ihn Lüder am Telefon.
Sein
Gesprächspartner stutzte einen Moment.
»Mein Name ist Leif
Stefan Ditters«, sagte der Mann. »Sind Sie falsch verbunden?«
»Ich fürchte nicht.
Ich möchte mit dem Dichter sprechen, der den Artikel über die Kindesentführung
verzapft hat.«
»Wollen Sie mir
ergänzende Hinweise zu unserem Beitrag liefern?«, fragte Ditters. »Oder weshalb
rufen Sie mich an?«
»Mich interessiert,
wer sich die veröffentlichten Fehlinformationen aus dem Finger gesogen hat«,
erwiderte Lüder.
Der Redakteur ließ
ein verächtlich klingendes Lachen hören. »Es wäre nicht das erste Mal, dass die
Presse erfolgreicher recherchiert als die Polizei. Beweisen Sie mir, dass wir
etwas Falsches geschrieben haben.«
Lüder wollte sich
nicht auf Diskussionen einlassen. Jedes Wort, das er von sich gegeben hätte,
wäre von Ditters sinnentstellt in einem neuen Artikel verwendet worden.
»Können Sie mir
Einblick in die Ihnen vorliegenden Dokumente geben, damit ich deren Echtheit
verifizieren kann?«, fragte Lüder.
»Ich nenne Ihnen
weder unsere Quellen, noch zeige ich Ihnen unser Material. Haben Sie schon
einmal etwas vom Pressegeheimnis gehört? Wenn Sie mit Ihren Ermittlungen nicht
vorankommen, so empfehle ich Ihnen, morgen einen Blick in unsere Zeitung zu
werfen.« Die Stimme klang unangenehm arrogant.
»Grüßen Sie Ihren
Bruder von mir«, beendete Lüder das Telefonat.
Jetzt klang die
Stimme des Redakteurs überrascht. »Meinen Bruder? Kennen Sie den?«
»Natürlich. Seit den
Gebrüdern Grimm sind es doch immer zwei, die Märchen erzählen.«
Lüder legte auf,
bevor der Mann zu einer Erwiderung ansetzen konnte. Dann fuhr er in die
Uniklinik. Man ließ ihn nicht auf die Intensivstation, holte aber Holger
Rasmussen, der am Bett seiner Frau wachte, in den Besucherbereich.
»Es geht ihr nicht gut«,
beantwortete der Lokalpolitiker Lüders Frage nach dem Zustand von Bärbel
Rasmussen. »Sie wird nie wieder so sein wie früher. Wahrscheinlich bedarf sie
lebenslanger Pflege.«
Rasmussen sah
übernächtigt aus. Tiefe Schatten lagen um die Augen. Das Gesicht, von
Sorgenfalten durchzogen, hatte eine fast graue Farbe angenommen. »Gibt es schon
Anhaltspunkte, wer als Urheber in Frage kommt?«
»Wir verfolgen
mehrere Spuren«, antwortete Lüder ausweichend. »Können Sie sich vorstellen, wer
Ihnen eine Briefbombe ins Haus schicken könnte?«
Rasmussen musterte
Lüder mit einem erstaunten Blick. »Das haben Sie mich schon mal gefragt. Wer
sollte so etwas tun? Ich habe weder Streit mit jemandem, noch vertrete ich
politische Ansichten, die extremistisch denkenden Fanatikern als Anlass für ein
solches Verbrechen dienen könnten.«
»Worum ging es bei
der Tagung in Sankelmark?«
Rasmussen atmete
hörbar aus. »Um Allgemeines. Wir hatten mehrere Tagungspunkte. Es ging um die
Entwicklung des Kreises als touristischer Standort. Wir können nicht einsehen,
dass alle Fördermittel an die mecklenburgische Küste fließen und dort die beste
Infrastruktur geschaffen wird, während bei uns das, was die Menschen in
jahrzehntelanger Arbeit mühsam aufgebaut haben, mangels Unterstützung aus
Berlin verkümmert. Sie haben sicher von den Klagen strukturschwacher Städte im
Ruhrgebiet gehört, die von hoher Arbeitslosigkeit geplagt werden und trotz
Finanznot immer noch ihren Solidaritätsbeitrag für die neuen Bundesländer
erbringen müssen. Ähnlich ergeht es uns, nur dass wir keine öffentliche Lobby
haben, weil bei uns weniger Menschen leben.«
»Sind Sie in eine
Neiddebatte verstrickt?«
»Sie glauben … Das
ist absurd. Niemand schickt mir eine Briefbombe, nur weil ich im Interesse
meiner Heimat Missstände anprangere.«
»Haben Sie etwas im
Köcher? Gibt es Geheimpläne, die anderen missfallen könnten?«
Rasmussen sah Lüder
durchdringend an. »Was für Geheimpläne?« Er sah an Lüder vorbei und ließ seinen
Blick über die kahle Wand des Wartezimmers streifen. »Sie meinen den Bericht in
der Zeitung? Da ging es um die Kindesentführung. Was sollte es für
Zusammenhänge geben?«
»Das würde ich gern
von Ihnen erfahren. Schließlich war Joachim Joost auch bei der Arbeitstagung in
Sankelmark anwesend.« Lüder zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. »War
er die vollen drei Tage anwesend?«
»Von Mittwoch bis
Freitag. Sie müssen mich entschuldigen. Ich kann mich derzeit nicht auf
Nebensächlichkeiten wie die Ausschusssitzung konzentrieren.«
»Hmh. Der Landrat
war der
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