Küstenfilz
politisch
zusammen, aber in sein Privatleben hat er mich nicht einbezogen. Ich fürchte,
Rasmussen geht davon aus, dass seine Liebschaft immer noch unentdeckt ist. Er
unterschätzt die Sensationsgier seiner Mitbürger, die gerade in solchen Fällen
nach Einzelheiten lechzen.«
»Weiß seine Familie
von diesem Verhältnis?«
Von Halenberg
schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Wissen Sie, wer die
Frau ist?«
Der Landrat legte
die Fingerspitzen zusammen und betrachtete eine Weile das Zeltdach, das er mit
seinen Händen geformt hatte.
»Ja«, antwortete er
eine Weile später.
»Dann nennen Sie mir
den Namen.«
»Das ist eine
delikate Angelegenheit. Bei der Dame handelt es sich um … die Bürgermeisterin
von Schleswig.«
»Frau Blasius?«
»Genau. Beate
Blasius.«
Von Halenberg war
irritiert, als Lüder auflachte.
»Nomen est omen« , erklärte Lüder.
An der Miene seines
Gegenübers konnte er erkennen, dass der Landrat für diesen Spott kein
Verständnis hatte.
»Jeder in der Stadt
tuschelt hinter vorgehaltener Hand, dass die Bürgermeisterin ein Verhältnis hat.
Aber keiner wusste, mit wem.«
Lüder spielte mit
einem Bierdeckel und ließ den Untersetzer kreisen.
»Natürlich bin ich
nicht informiert, ob der Ehemann von Frau Blasius über die hm … Nebengeräusche
seiner Frau Bescheid weiß. Sie bekommen es aber doch heraus: Herbert Blasius
ist Oberstudienrat und unterrichtet in Schleswig an der Lornsenschule Chemie.«
Da war allerdings
eine große Überraschung. Als Chemiker war der Mann auch in der Lage,
Sprengsätze zu basteln.
»Wollen Sie damit
andeuten, dass Sie einen Verdacht gegen Blasius haben? Vermuten Sie ihn hinter
dem Bombenattentat?«
Der Landrat hob
abwehrend beide Hände in die Höhe.
»So einen Gedanken
würde ich nicht aussprechen. Das ist Aufgabe der Polizei, weitere Rückschlüsse
aus diesen Puzzleteilchen zu ziehen.«
»Warum erzählen Sie
mir von Rasmussens Verhältnis?«
»Ich dachte, es wäre
ein wichtiger Hinweis. Auch wenn sich viele bei solchen Neuigkeiten das Maul
zerreißen, ist noch lange nicht gesagt, dass die Polizei davon erfährt.«
Die Bedienung
brachte das Essen und unterbrach damit ihr Gespräch. Der Landrat wünschte guten
Appetit und begann wortlos zu speisen. Lüder folgte seinem Beispiel.
Obwohl das Personal
aufmerksam und freundlich war, konnte Lüder sich nicht des Eindrucks erwehren,
dass alles auf die durchreisenden Touristenmassen abgestimmt war. Das galt auch
für den Heringsteller, den er gewählt hatte.
Lüder war fast
fertig, als er den Landrat unvermittelt fragte: »Worum ging es bei Ihrem
Treffen in Sankelmark?«
Von Halenberg
verschluckte sich, und es dauerte einen Moment, bis er sich frei gehustet
hatte.
»Entschuldigung«,
stammelte er, griff zur Serviette und tupfte sich den Mund ab. Dann nahm er
einen Schluck Weißwein. Vorsichtig setzte er das Glas wieder ab, bevor er Lüder
ansah.
»Es ging um die
Fortentwicklung unseres Landkreises. Wir müssen etwas für die Beschäftigung
tun. Die einheimische Wirtschaft stellt auf Dauer nicht genügend Arbeitsplätze
zur Verfügung.«
»Und da gibt es
konkrete Pläne, von denen auch die Zeitung schrieb?«
»Nein«, wehrte der
Landrat ab, »wir sind in der Phase intensiven Nachdenkens. Alles ist rein
hypothetisch.«
»Dann lassen Sie
mich teilhaben an Ihrem Denkmodell.«
»Würde ich ja, wenn
es etwas zu erzählen gäbe.«
Der Mann war
Politiker und hatte Übung darin, auszuweichen. Lüder erinnerte sich an ihre
erste Begegnung, als von Halenberg ihm erklärt hatte, sein persönlicher
Referent Joachim Joost sei zwar über alle verwaltungsmäßigen Vorgänge
informiert, nicht hingegen über politische Überlegungen. Warum sollte nicht
auch in Schleswig der Klüngel regieren wie in anderen deutschen Städten?
Vorsichtig leitete
der Landrat das Gespräch zu einem anderen Thema über.
»Wussten Sie, dass
der Kreis flächenmäßig so groß wie das Saarland ist? Wir haben das Glück, nicht
nur in einer intakten und wunderschönen Gegend zu leben, sondern auch in einer
alten Kulturlandschaft. Wegen der beispielhaft guten Kontakte zu unseren
skandinavischen Nachbarn und unserer Lage an der See treffen sich bei uns
Menschen mit den unterschiedlichsten Interessen. Das zu fördern und das Leben
weiterhin lebenswert zu gestalten und den Wohlstand zu mehren, dafür stehe ich
mit dem Kreispräsidenten und den Abgeordneten des Kreistages.«
Es klang wie eine
Wahlrede. Lüder beließ es bei
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