Küstenfilz
anderer Stelle abgeben. Ich will wissen,
wer der Empfänger ist.«
»Sie müssen mir
glauben. Ich habe so etwas noch nie zuvor gemacht. Ich war mir …«
Lüder gebot
Manthling mit einer Handbewegung, zu schweigen.
»Für wen?«
Der Beamte fingerte
ein Papiertaschentuch aus einer Packung und tupfte sich die Stirn.
»Ich kenne den Namen
nicht«, gestand er. »Der Mann hat mich auf der Straße angesprochen.«
»Das klingt
unglaubwürdig. Sie erweisen doch keinem wildfremden Menschen einen Gefallen und
verraten Dienstgeheimnisse.«
Manthling sackte wie
ein leerer Mehlsack in seinem Stuhl in sich zusammen.
»Ich kenne den Namen
wirklich nicht. Der Mann hat mir fünfhundert Euro geboten. Zweihundert habe ich
schon erhalten. Den Rest wollte er mir geben, wenn ich das Papier übergebe.«
»Wie sah der Mann
aus?«
Stockend schilderte
Robert Manthling das Aussehen des Unbekannten, um ergänzend
hinterherzuschieben: »Ich war der Meinung, dass es sich um einen Journalisten
handelt.«
Aus der Beschreibung
konnte Lüder entnehmen, wer den Beamten bestochen hatte.
»Wann soll die
Übergabe des Papiers erfolgen?«
»Heute Abend, um
halb sechs. Im Straßencafé in der Fußgängerzone.«
»In welchem?«
»Zwischen der
Buchhandlung und dem Schuhladen. Gleich vorne, in der Nähe des Capitolplatzes.«
Lüder sah auf die
Uhr. Bis dahin war es noch Zeit. »Gut. Sie werden dort sein. Bis dahin nehme
ich Sie aber in meine Obhut.«
»Ja, aber …«,
stotterte Manthling.
»Folgen Sie mir
freiwillig, oder soll ich eine Streife anfordern, die Sie abholt?«
Manthling überlegte
einen Moment, entschloss sich dann aber, zu folgen. Mit wankendem Schritt
begleitete er Lüder zum Parkplatz und stieg in dessen BMW ein.
Lüder fuhr mit dem
Beamten das kurze Stück zur Schleswiger Polizei. Der quaderförmige schlichte
Betonklotz mit dem hohen Funkmast im Hintergrund und dem Findling vor der Tür
mit dem Landeswappen und dem Schriftzug »Polizei« gewann durch den mutigen
Anstrich in knalligem Ochsenblutrot an Kontur.
Lüder lieferte
Manthling bei der Kripostelle Schleswig ab, bat darum, die Personalien und ein
Geständnis aufzunehmen, und ordnete an, dass Manthling bis zum frühen Abend,
wenn Lüder ihn abholen würde, keinen Kontakt nach außen aufnehmen durfte.
»Aber ich muss doch
meine Frau verständigen … Und meine Abwesenheit im Amt … Ich kann doch nicht
einfach fernbleiben.«
Lüder schenkte dem
Mann ein Lächeln. »Das ist eine merkwürdige Auffassung. Sie lassen sich
bestechen, begehen ein Dienstvergehen und haben Sorge, weil Sie die
Dienststelle ohne Abmelden verlassen haben. Ich gehe davon aus, dass Sie
freiwillig Wohlverhalten an den Tag legen, sonst besorge ich mir einen
Haftbefehl.« Das war eine Drohung, die Lüder nie hätte in die Tat umsetzen
können, aber sie zeigte Wirkung. Es kam darauf an, dass Manthling weder
absichtlich noch unbedacht den Mann warnen konnte, mit dem er verabredet war
und den Lüder auf frischer Tat erwischen wollte.
Die Kreisstraße
verdiente, zumindest auf den ersten Kilometern, diese Bezeichnung nicht. Es war
mehr eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern und Flickstellen. Lüder hatte den
Eindruck, dass Graf von Halenberg das knappe Budget lieber in den
repräsentativen Neubau der Kreisverwaltung investiert hatte als in die
Verkehrsinfrastruktur, zumindest diesen Abschnitt betreffend. Natürlich hatte
darüber nicht der Landrat zu befinden, aber das Interesse von dritter Seite an
den Entwicklungen im Landkreis schien außerordentlich hoch.
Auch wenn
gelegentlich von einer bedenklichen Entwicklung hinsichtlich der Korruption in
Deutschland berichtet wird und das Land in der Bewertung von Transparency
International an Boden verloren hatte, gab es immer noch eine intakte und fast
unbestechliche Verwaltung. Robert Manthling war eine unrühmliche Ausnahme.
Lüder konnte nicht verstehen, weshalb ein langjähriger Beamter, der als
Familienvater zudem noch die Verantwortung für die Kinder trug, Beruf und
Karriere für lausige fünfhundert Euro aufs Spiel setzte. Oder war es nicht das
erste Mal, dass der Mann schwach geworden war? Doch das würden andere Kollegen
weiterverfolgen.
Die Straße
schlängelte sich durch die liebliche Hügellandschaft, durchschnitt kleine
beschauliche Orte, in denen die Zeit stehen geblieben schien, und mündete
schließlich auf die Verbindung, die zur Klappbrücke bei Lindaunis führte. Kurz
vorher bog Lüder ab und fuhr weiter direkt unten an der Schlei
Weitere Kostenlose Bücher