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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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hellste Sonne genau im Zentrum des
Fensters war Ulubis.
    Lusiferus hatte seine Geschlechtsorgane auf jede nur erdenkliche
Weise aufrüsten lassen. Nun hatte er unter anderem Drüsen
im Körperinneren, die es ihm gestatteten, viele verschiedene
Sekrete – Irritantien, Halluzinogene, Cannabinoide, Capsainoide,
Schlafmittel und Wahrheitsseren – zu produzieren und mit seinem
Ejakulat in den Körper seines Geschlechtspartners einzuschleusen
(während er selbst natürlich gegen die Wirkung immun war).
Nun versetzte er sich in die Kurztrance ›Kleiner
Tod‹,ein petit mal, dases ihm erlaubte, eine der
Substanzen auszuwählen. Er entschied sich für die am
letzten erwähnte, die Wahrheitsdroge.
    Er nahm das Mädchen anal; so trat die Wirkung schneller
ein.
    Er musste feststellen, dass sie wirklich an die
›Wahrheit‹ glaubte.
    Daneben erfuhr er, dass sie ihn für uralt und unheimlich
hielt, für einen perversen Sadisten, der ihr Angst machte, und
von dem sie sich nur mit äußerstem Widerwillen ficken
ließ.
    Er erwog, ihr Thanaticin einzuspritzen oder sie mit einer der
physischen Optionen zu bestrafen, die ihm dank seines
aufgerüsteten Penis zur Verfügung standen: etwa mit dem
geschorenen Rossschweif. Er könnte sie auch einfach ins Vakuum
stoßen und zusehen, wie sie starb.
    Doch dann entschied er, ein Leben in ständiger Erniedrigung
sei Strafe genug. Hatte er nicht immer gesagt, er wolle verabscheut
werden?
    Er würde sie zu seiner Favoritin machen. Wahrscheinlich
empfahl es sich, sie unter Selbstmordüberwachung zu stellen.
     
    Nach Ansicht der Dweller unterschied sich das
empfindungsfähige Lebewesen letztlich durch die Fähigkeit
zu leiden von jeder anderen Lebensform. Damit war nicht nur die
Fähigkeit gemeint, körperlichen Schmerz zu empfinden,
sondern echtes Leiden, jene Art von Leiden, die umso schlimmer war,
weil das betroffene Lebewesen die Erfahrung in vollem Umfang
auskosten konnte. Es konnte sich an Zeiten erinnern, als es nicht
gelitten hatte, sich auf Zeiten freuen, wenn das Leiden aufhörte
(oder überzeugt sein, dass es niemals enden würde und daran
verzweifeln – Verzweiflung war ein wesentlicher Bestandteil des
Erlebens), und es konnte erkennen, dass es nicht zu leiden
bräuchte, wenn die Dinge anders gelaufen wären. Zum Leiden
gehörte nämlich Verstand. Phantasie. Jeder hirnlose
Schleimklumpen mit einem rudimentären Nervensystem konnte
Schmerz empfinden. Zum Leiden brauchte man Intelligenz.
    Nun spürten die Dweller natürlich keinen Schmerz und
bestritten auch, jemals zu leiden, allenfalls unter einem Dummkopf,
der bedauerlicherweise zur Familie gehörte, oder unter den
verheerenden körperlich-seelischen Symptomen eines schweren
Katzenjammers. Damit waren sie nach ihrer eigenen Definition nicht
wirklich empfindungsfähig. An diesem Punkt pflegte der
durchschnittliche Dweller, der selbstverständlich überzeugt
war, seine Spezies umfasse nach jedem nur denkbaren Maßstab die
empfindungsfähigsten und intelligentesten Wesen überhaupt,
seine Nabenarme zu spreizen, den Flossensaum zu schütteln und
lauthals von Paradoxien zu reden.
    Fassin stellte sich in Drehrichtung und ließ sich vom
fünfhundert Stundenkilometer schnellen Jetstream mittragen.
Reglos. Dann slippte er und suchte sich einen kleinen Wirbel, einen
Kringel nur, eine winzige, gelbweiße Strähne von zwei
Kilometern Durchmesser in den leeren orangefarbenen, roten und
braunen Himmelsweiten. Er glitt durch das Gas und spürte es
feucht und glitschig auf der Stirn des Pfeilschiffs. Eine Weile
ließ er sich langsam im Kreis herumtragen, bevor er die Nase
nach unten drückte und in gemächlichen Spiralen durch
Schleier und Wolken und das allmählich dichter und schwerer
werdende Gas hinabsank. Als die Temperaturen erträglich waren,
stellte er sich waagrecht und tat etwas, was er noch nie gewagt
hatte: er öffnete das Kanzeldach des Gasschiffchens und
ließ die Atmosphäre herein, ließ Nasqueron herein,
ließ zu, dass es seine nackte, menschliche Haut
berührte.
    Alarmsignale schrillten und blinkten, und seine Augen brannten,
als er sie öffnete. Von allen Seiten drang schwach
rötliches Licht auf ihn ein. Er hatte immer noch Kiemenwasser in
Mund und Nase, Kehle und Lungen, aber jetzt musste er selbst atmen,
musste nur mit seinen Brustmuskeln gegen den Sog von Nasquerons
Schwerkraftfeld ankämpfen. Doch er war immer noch über den
Interfacekragen mit dem Gasschiff verbunden, und als er sich nicht
aus eigener Kraft aus dem

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