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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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sind
doch so richtig harte Burschen, nicht wahr, Tain?«
    »Scheiße, ja«, sagte Taince. Jetzt war ihre Stimme
ganz ruhig. »Dreckige Hartkekse.«
    »Die sind nicht so leicht umzubringen, und noch schwieriger
ist es, sie zu Brei zu zerquetschen«, sagte Sal, ohne die
Signale zu beachten, die Taince aussendete.
    »Sie zeichnen sich durch enorme Widerstandsfähigkeit
gegenüber dem Schicksal und feindlichen Angriffen aller Art
aus«, sagte Taince kalt. Für Fassin hörte es sich an
wie ein Zitat. Die Klatschmäuler behaupteten, sie und Sal
wären so etwas wie ein Paar oder hätten zumindest hin und
wieder Sex miteinander. Aber wenn Fassin den Ausdruck in ihren Augen
in diesem Moment richtig deutete, war diese Seite ihrer Beziehung,
falls sie denn jemals existiert hätte, in akuter Gefahr,
ihrerseits zu Brei zerquetscht zu werden. Er sah sich zu Ilen um,
weil er sehen wollte, was sie für ein Gesicht machte.
    Sie saß nicht mehr auf der anderen Seite des Fliegers. Er
suchte weiter, aber sie war nicht zu finden. »Ilen?«,
fragte er. Dann wandte er sich an die beiden anderen. »Wo ist
Ilen?«
    Sal klopfte auf den Knopf in seinem Ohr. »Ilen?«, fragte
er. »He, Len, wo bist du?«
    Fassin spähte in die Schatten. Er sah im Dunkeln nicht
schlechter als die meisten Menschen, aber fast ohne Sternenlicht und
nur mit den schwachen, auf Energiesparmodus geschalteten
Scheinwerfern des Fliegers in seiner Mulde war nicht viel zu
erkennen. Auch im Infrarotbereich war das Ergebnis kaum besser, hier
zeigten sich nicht einmal verblassende Fußspuren auf dem
seltsamen Untergrund.
    »Ilen?«, wiederholte Sal und sah Taince an, die
ihrerseits die Umgebung absuchte. »Ich bin blind wie ein
Maulwurf, und mein Kopfhörer funktioniert nicht«, sagte er.
»Siehst du besser als wir?«
    Taince schüttelte den Kopf. »Die Spezialaugen kriegt man
erst im vierten Jahr.«
    Scheiße, dachte Fassin. Ob wohl jemand eine
Taschenlampe dabei hatte? Wahrscheinlich nicht. Wer verwendete heute
noch Taschenlampen? Er prüfte seinen eigenen Kopfhörer,
aber auch der war tot; kein Empfang, nicht einmal aus der
unmittelbaren Umgebung. Oh, Scheiße, Scheiße,
Scheiße. Wann mochte das Urbild dieser Geschichte
entstanden sein? Vier Kinder borgten sich Papas Karren aus und
verloren kurz vor Einbruch der Dunkelheit unweit der alten
verlassenen Neandertalerhöhle ein Rad? Könnte hinkommen.
Und dann rannten sie kopflos in die Dunkelheit hinein, und eins nach
dem anderen starb eines grausamen Todes.
    »Ich drehe die Scheinwerfer höher«, sagte Sal und
griff nach dem Innenschalter. »Notfalls können wir starten
und…«
    »ILEN!« schrie Taince, so laut sie konnte. Fassin zuckte
zusammen und hoffte, dass es niemand bemerkt hatte.
    »… Hier drüben!«, drang Ilens Stimme ganz
schwach aus den Tiefen des Wracks.
    »Entfernung von der Truppe!«, rief Sal in die Richtung,
aus der sie die Stimme gehört hatten. »Keine gute Idee!
Aufs Schärfste zu verurteilen! Empfehle sofortige
Rückkehr.«
    »Pinkeln in Peer-Group problematisch«, kam die Antwort.
»Schamhafte-Blase-Syndrom. Nach Erleichterung sofortige
Rückkehr. Und jetzt rede normal, sonst sagt Len zu Tain, sie
soll Sal Auge ausstechen.«
    Taince grinste. Fassin musste sich abwenden. Manchmal, in
Augenblicken wie diesem, wenn man es am wenigsten erwartete,
überraschte ihn Ilen, die sonst fast eigensinnig auf ihrer ganz
und gar ungerechtfertigen Schüchternheit und Unsicherheit
beharrte, mit solchen Äußerungen oder Verhaltensweisen.
Sein Inneres krampfte sich zusammen. Komm bloß nicht auf die
Idee, dich in sie zu verlieben, dachte er. Das wäre nun
wirklich unerträglich.
    Sal lachte. Im Infrarotmodus erschien in fünfzig Metern
Entfernung ein Ilen-förmiger Klecks. Sie kauerte mit gesenktem
Kopf wie ein flacher Hügel über einer Falte im gerillten
Untergrund. »Da. Alles in Ordnung«, verkündete Sal,
als hätte er sie persönlich gerettet.
    Gleich darauf kam Ilen zurück und blinzelte ins weiche
Scheinwerferlicht. Ihr weißblondes Haar glänzte. Sie
nickte den anderen zu. »’n Abend«, sagte sie und
grinste.
    »Willkommen daheim«, sagte Sal. Dann zog er ein
Bündel aus einem Gepäckfach und schwang es sich auf den
Rücken.
    Taince betrachtete das Bündel, dann funkelte sie ihn
empört an. »Was zur Hölle hast du vor?«
    Sal machte ein unschuldiges Gesicht. »Ich will mich nur ein
wenig umsehen. Du kannst mich ja begleiten, wenn…«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage.«
    »Tain, mein Kind«, entgegnete

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